Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Woerner, Grundsatzfragen zur Bilanzierung schwebender Geschäfte, FR 1984, 489;
Crezelius, Das sog schwebende Geschäft in Handels-, Gesellschafts- und Steuerrecht, in: Handelsrecht und Steuerrecht, Festschrift für Döllerer, Düsseldorf 1988, 81;
Woerner, Die Gewinnrealisierung bei schwebenden Geschäften, BB 1988, 769;
Nieskens, Schwebende Geschäfte und das Postulat des wirtschaftlichen Eigentums, FR 1989, 537;
Christiansen, Bilanzierung schwebender Geschäfte, JbFSt 1990/91, 151;
Glaubig, GoB für Dauerrechtsverhältnisse, 1993;
Flies, Übertragung schwebender Verträge, StBp 1998, 180;
Lüdenbach/Hoffmann, Das schwebende Geschäft als Vermögenswert, DStR 2006, 1382;
Christiansen, Zur Passivierung von Verbindlichkeiten: (Nicht-)Passivierung im Rahmen schwebender Geschäfte, DStR 2007, 869.
Rn. 471
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Als Ausprägungen des Realisations- und Imparitätsprinzips sind Forderungen und Schulden aus Geschäften, bei denen jeder Beteiligte nur Zug um Zug gegen Leistung des anderen Beteiligten zu leisten verpflichtet ist (§ 320 BGB, synallagmatische Verträge) nicht bilanzierungsfähig, solange und soweit sich Ansprüche und Verbindlichkeiten einander ausgleichend gegenüberstehen (BFH BStBl II 1991, 479). Die ökonomische Rechtfertigung liegt in der Ausgeglichenheitsvermutung (GrS BFH BStBl II 1997, 735) bezüglich der beidseitigen Ansprüche und Verpflichtungen, die bilanzrechtliche in den noch nicht erbrachten Leistungen (Weber-Grellet, DB 2002, 2181). Auszuweisen sind nur Vorleistungen eines Geschäftspartners (Realisationsgrundsatz) oder Leistungsrückstände u drohende Verluste aus dem Geschäft (Imparitätsgrundsatz; vgl BFH BStBl II 1976, 622; 1983, 369; 1991, 479). Der Darstellung der Bindung des Unternehmers an Schuldverhältnisse, insb an Dauerschuldverhältnisse, die in Buchführung und Abschluss nicht in Erscheinung treten, aber für eine Beurteilung der künftigen Unternehmensentwicklung bedeutsam sind, dient die Vertragsbilanz (hierzu Bodarwé, WPg 1985, 328).
Schwebende Geschäfte sind gegenseitige Schuldverhältnisse, die jeden der beiden Partner zu Leistungen verpflichten und jeder nur Zug um Zug gegen die Leistung des anderen zu leisten hat, so dass die Hauptleistungspflichten beider Partner im synallagmatischen Zusammenhang stehen. Bezüglich der Beendigung des Schwebezustandes werden zwei konträre Auffassungen vertreten:
- Die wohl hM sieht den Beendigungstatbestand in der wesentlichen Erbringung der Sach- oder Dienstleistung, berücksichtigt also nicht den Zahlungsvorgang der Gegenpartei (so BFH v 23.06.1997 GrS 2/93, BStBl II 1997, 735; dazu Buciek, FR 2010, 426; ebenso Blümich/Buciek, § 5 EStG Rz 244a; IDW RS HFA 4 Rz 12; Woerner, FR 1984, 491).
- Erfüllung der Zahlungsverpflichtung (so BFH v 18.12.2002, I R 17/02, BStBl II 2002, 126; BFH v 11.10.2007, IV R 52/04, BStBl II 2009, 705; BFH v 16.12.2009, I R 102/08, BFH/NV 2010, 309 – entgegen BFH v 23.06.1997, GrS 2/93, BStBl II 1997, 735).
Die Nichtbeachtung der Vorgaben des GrS durch die zitierten Urt des I. und IV. Senats überrascht. Allerdings war die BFH-Rspr diesbezüglich in früheren Zeiten auch sehr uneinheitlich (vgl hierzu Woerner, FR 1984, 491).
ME ist der ersten Auffassung zuzustimmen. Gründe: Zahlungsvorgänge sind zur Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich (Bilanzierung) unbeachtlich (§ 252 Abs 1 Nr 5 HGB). Sofern die Zahlungsmodalität nicht mit der Leistungsinanspruchnahme zeitlich übereinstimmt, sind Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände in der üblichen Form zu bilanzieren. Bei einem Dauerschuldverhältnis (zB Miete) über mehrere Jahre mit Vorauszahlung des Mietzinses als Einmalbetrag wäre nach der zweiten Auffassung kein schwebendes Geschäft gegeben. Die Bilanzierung der Verpflichtung des Vermieters auf Überlassung der Mietsache müsste dann kapitalisiert als Verbindlichkeit ausgewiesen werden – eine bisher nicht gekannte Rechtsfolge. Richtigerweise ist die Vorauszahlung als aktive Abgrenzung beim Mieter und als passive beim Vermieter zu erfassen und im Zeitverlauf aufzulösen.
Rn. 472
Stand: EL 93 – ET: 11/2011
Das Verbot, Rechte u Pflichten aus schwebenden Geschäften auszuweisen, hat zwei Wurzeln:
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den Realisationsgrundsatz (s Rn 408ff) des Inhalts, vor dem realisierten Leistungsaustausch wirtschaftlich eine mit dem Geschäft bewirkte Vermögensänderung noch nicht als gegeben anzusehen (Döllerer, BB 1980, 1333, 1335); |
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ferner den Vorsichtsgrundsatz, Vorleistungen, Leistungsrückstände u drohende Verluste aus dem schwebenden Geschäft anzusetzen. |
Ein Gewinn ließe sich nämlich rechnerisch schon durch Vergleich zB der Liefer- o Leistungsverpflichtung, bewertet nach dem Geldwert der Aufwendungen, die zur Bewirkung der Leistung erforderlich sind (AK, HK sowie Verwaltungskosten u Vertriebskosten; vgl BFH BStBl II 1984, 56; Mathiak, StuW 1984, 270, 274), mit der Entgeltforderung feststellen. Dieser Verfahrensweise steht der Realisationsgrundsatz als Ausprägung des Grundsatzes der kaufmännischen Vorsicht entgegen.
Rn. 473
Stand: EL 93 – ET: 11/2011
Darzustellen hat...