Rn. 62
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
Verfährt der ArbG entsprechend der ihm erteilten Anrufungsauskunft, ist seine Haftungsinanspruchnahme auch dann ausgeschlossen, wenn die Auskunft unrichtig war, BFH vom 20.03.2014, VI R 43/13, BStBl II 2014, 592 Rz 16; Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz 33 (Mai 2022). Allerdings ist der ArbG nicht dazu verpflichtet, entsprechend der ihm erteilten Anrufungsauskunft zu verfahren, BFH vom 05.06.2014, VI R 90/13, BStBl II 2015, 48; BFH vom 05.06.2014, VI R 91/13, BFH/NV 2014, 1873; Krüger in Schmidt, § 42e EStG Rz 9 (42. Aufl); aA Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz 35 (Mai 2022). Insoweit entspricht die Rechtslage in Bezug auf § 42e EStG der bei der verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs 2 AO sowie der bei der verbindlichen Zusage nach § 204 AO, BFH vom 30.04.2009, VI R 54/07, BFH/NV 2009, 1528; Bleschick in H/H/R, § 42e EStG Rz 25 (Dezember 2020). Der ArbG kann auch nicht gemäß § 40 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG durch LSt-Pauschalierungsbescheid in Anspruch genommen werden, wenn er entsprechend der erteilten Anrufungsauskunft verfährt. Richtet sich der ArbG jedoch nicht nach der ihm erteilten Anrufungsauskunft, kann er sich im Rahmen der LSt-Haftung nach § 42d EStG idR nicht mit Erfolg auf einen unentschuldbaren Rechtsirrtum berufen, Bleschick in H/H/R, § 42e EStG Rz 25 (Dezember 2020; FG Mchn vom 24.04.2008, 15 K 1124/08, EFG 2008, 1781.
Rn. 63
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
Nach der geänderten Rspr des BFH (BFH vom 17.10.2013, VI R 44/12, BStBl II 2014, 892) erstreckt sich die Bindungswirkung einer durch das Betriebsstätten-FA gegenüber dem ArbG nach § 42e EStG erteilten Auskunft auch auf das LSt-Abzugsverfahren des ArbN, vgl auch BMF vom 12.12.2017, BStBl I 2017, 1656 Tz 16; Bleschick in H/H/R, § 42e EStG Rz 25 (Dezember 2020).
Bei der Anrufungsauskunft handelt es sich um einen VA mit Drittwirkung; das Betriebsstätten-FA kann die Frage, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die LSt anzuwenden sind, gegenüber sämtlichen am LSt-Abzugsverfahren Beteiligten nur einheitlich beantworten (Drenseck, DStJG 9 (1986), 377, 396; Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz 31 (Mai 2022); Krüger in Schmidt, § 42e EStG Rz 10 (42. Aufl). Die Bindungswirkung erstreckt sich auf das gesamte LSt-Abzugsverfahren (Vorauszahlungsverfahren einschließlich des LSt-Nachforderungsverfahrens), Dissars, Inf 2003, 862, 865. Soweit sich die Anrufungsauskunft auf den LSt-Einbehalt bezieht, betrifft sie stets die materiellen Interessen des ArbN als Schuldner der LSt. Durch den Regelungsinhalt der Auskunft sind auch die rechtlich geschützten Interessen der anderen Beteiligten betroffen. Hat der ArbG aufgrund einer durch das Betriebsstätten-FA erteilten unrichtigen Anrufungsauskunft keine LSt einbehalten, ist aufgrund der Bindungswirkung der Auskunft auch eine Inanspruchnahme des ArbN nach § 42d Abs 3 S 4 Nr 1 EStG ausgeschlossen, BFH vom 17.10.2013, VI R 44/12, BStBl II 2014, 892.
Rn. 64
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
Nach Ablauf des Kj bis zum Ende der Festsetzungsfrist, kann das FA jedoch die zu niedrig einbehaltene LSt vom ArbN durch LSt-Nachforderungsbescheid nachfordern, Krüger in Schmidt, § 42e EStG Rz 9 (42. Aufl); § 42d Rz 22, 24 (42. Aufl); ausführlich zum Nachforderungsbescheid gegen den ArbN s Nacke, § 42d Rn 65, 72.
Das Wohnsitz-FA des ArbN ist bei der Veranlagung des ArbN zur ESt nicht an die dem ArbG erteilte Anrufungsauskunft gebunden und kann von dieser abweichen, falls sie rechtswidrig war, BFH vom 13.01.2011, VI R 61/09, BStBl II 2011; BFH vom 18.06.2015, VI R 37/14, BFH/NV 2015, 1620.
Rn. 65
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Hat sich das Betriebsstätten-FA entsprechend R 42e Abs 1 S 2 LStR 2015, die in den LStR 2023 nicht mehr enthalten ist, vor Erteilung der LSt-Anrufungsauskunft mit dem Wohnsitz-FA des ArbN abgestimmt, soll Letzteres nach dem Grundsatz von Treu und Glauben an die erteilte Auskunft gebunden sein, Bleschick in H/H/R, § 42e EStG Rz 24 (Dezember 2020) unter Hinweis auf die Überlegungen das FG D'dorf vom 24.01.2002, 14 K 871/97 L, EFG 2002, 540 (Rev zurückgewiesen durch BFH vom 16.11.2005, VI R 23/02, BStBl II 2006, 210). Dem ist nicht zuzustimmen; die Abstimmung des Betriebsstätten-FA mit dem Wohnsitz-FA hindert Letzteres nicht daran, bei der Veranlagung des ArbN zur ESt eine andere Auffassung zu vertreten als im verwaltungsinternen Verfahren der Abstimmung nach R 42e Abs 1 S 2 LStR 2015, da diese Abstimmung sich nur auf das LSt-Abzugsverfahren beschränkt. Zudem begründet die durch das Betriebsstätten-FA erteilte Anrufungsauskunft im Verhältnis zwischen dem Beteiligten, der die Auskunft beantragt hat und dem für die Veranlagung des ArbN zuständigen Wohnsitz-FA keinen Vertrauensschutz, da es sich bei R 42e Abs 1 S 2 LStR 2015 um eine Sollvorschrift handelte. Dem Antragsteller und erst recht dem ArbN ist mithin nicht bekannt, ob die Abstimmung tatsächlich erfolgt ist. Zudem bedeutet Abstimmung iSv R 42e Abs 1 S 2 LStR 2015 nicht Zustimmung.
Rn. 66–70
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