Prof. Dr. Lutz Richter, Dr. Magdalena Kruczynski
Rn. 14
Stand: EL 142 – ET: 04/2020
Um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu entsprechen, sieht § 5b Abs 2 EStG eine Härtefallregelung vor, sodass die Vorschrift des § 5b Abs 1 EStG innerhalb des verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers liegt (s BFH v 14.03.2012, BStBl II 2012, 477 Rz 28; Drüen/Hechtner, DStR 2006, 822 mwN). Aufgrund des hierin enthaltenen Verweises auf § 150 Abs 8 AO liegt der Befreiung von der Übermittlungspflicht der E-Bilanz der gleiche Prüfungsmaßstab zu Grunde wie der Befreiung von der Übermittlungspflicht für Steuererklärungen (s Müller in H/H/R, § 5b EStG Rz 36). Demnach kann die jeweils zuständige FinBeh zur Vermeidung unbilliger Härten auf Antrag auf die elektronische Übermittlung verzichten, wenn die Datenübermittlung für den StPfl wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist.
Fraglich erscheint der Anwendungsbereich dieser Härtefallregelung, denn das Schreiben des BMF v 28.09.2011, BStBl I 2011, 855 Rz 30 nimmt auf Rz 3 des BMF v 19.01.2010, BStBl I 2010, 47 Bezug, die lediglich den Wortlaut des § 150 Abs 8 S 2 AO wiedergibt. Demnach ist eine wirtschaftliche oder persönliche Unzumutbarkeit insb gegeben,
Begriff
"[...] wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung des amtlich vorgeschriebenen Datensatzes nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre oder wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen."
Trotz dieser Regelbeispiele für das Vorliegen einer unbilligen Härte eröffnet jene Formulierung der zuständigen FinBeh einen gewissen Ermessensspielraum hinsichtlich der Auslegung der beiden Begriffe.
In der Praxis wird der Anwendungsbereich der Härtefallregelung jedoch regelmäßig sehr gering sein. Kleinst- und Kleinbetriebe in der Rechtsform eines Einzelunternehmens werden die Verpflichtung nach § 5b EStG im Regelfall nicht mittels der Härtefallregelung, sondern durch Inanspruchnahme des § 241a HGB umgehen (s Richter, FR 2009, 804), wobei nach § 60 Abs 4 EStDV auch die EÜR auf elektronischem Weg zu übermitteln ist. Alle anderen Unternehmen werden – ua wegen des fehlenden Know-hows – regelmäßig ihren StB mit der elektronischen Übermittlung beauftragen müssen, da dieser idR auch die Steuererklärungen sowie den steuerlichen JA erstellt.
Als Härtefälle können daher unter Rückgriff auf das Kriterium der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit die finanzielle Unfähigkeit, in Hard- und Software zu investieren, eine Beabsichtigung der kurzfristigen Einstellung der betrieblichen Tätigkeit oder die Beabsichtigung der baldigen Umstellung von Hard- und Software angesehen werden, wohingegen generelle Bedenken gegen die Sicherheit der elektronischen Übermittlung ("Hacker-Angriff") keinen ausreichenden Grund für eine Befreiung darstellen (s FG Nds v 20.10.2009, EFG 2010, 277; BFH v 14.03.2012, BStBl II 2012, 477 Rz 53ff; FG Bre v 26.06.2014, EFG 2014, 1732; BFH v 14.04.2015, BFH/NV 2015, 1115 Rz 3; BFH v 14.02.2017, BFH/NV 2017, 729 Rz 19; BFH v 15.05.2018, BFH/NV 2018, 1137 Rz 22; zu empirischen Befunden bei Kleinst- und Kleinbetrieben s Richter/Kruczynski, DStR 2012, 922f).
Von persönlicher Unzumutbarkeit ist zB bei Vorliegen einer Medieninkompetenz des StPfl auszugehen (hier: 64-jähriger Landwirt als alleiniger Geschäftsführer einer UG), wobei eine Mithilfe medienkompetenter Nichtgeschäftsführer (hier: Familienangehöriger) unschädlich ist (s FG BBg v 14.02.2018, EFG 2018, 706; dagegen Verneinung einer persönlichen Unzumutbarkeit bei einer GmbH mit vier Geschäftsführern bei BFH v 14.03.2012, BStBl II 2012, 477 Rz 62ff).
Rn. 15
Stand: EL 142 – ET: 04/2020
Bei Inanspruchnahme der Härtefallregelung greift der ausschließlich für die Abgabe in Papierform gültige § 60 Abs 1 u 2 EStDV. In diesem Fall sind sowohl die Bilanz und, sofern Bücher geführt werden, die den Grundsätzen der doppelten Buchführung entsprechen, die GuV in Papierform abzugeben. Die Gliederungsvorgaben der Taxonomie finden in diesem Fall keine Anwendung. Für eine alternative Übermittlungsform, etwa die Übertragung per CD oder USB-Stick, besteht gesetzestechnisch kein Raum (s BFH v 17.08.2015, BFH/NV 2016, 72 Rz 9ff; BFH v 15.05.2018, BFH/NV 2018, 1137 Rz 26).
Rn. 16
Stand: EL 142 – ET: 04/2020
Sofern die FinBeh keine für den StPfl positive Härtefallentscheidung getroffen hat und der StPfl die elektronische Übermittlung unterlässt, liegt seinerseits eine Pflichtverletzung vor (s Ley in Böcking/Gros/Oser/Scheffler/Thormann, B 771 E-Bilanz Rz 75). In diesen Fällen lässt sich die Abgabe eines elektronischen Datensatzes durch Androhung und ggf Festsetzung eines Zwangsgelds von bis zu TEUR 25 (§§ 328ff AO) durchsetzen (s BMF v 19.01.2010, BStBl I 2010, 47 Rz 4). Nach aktueller Rechtslage kann der StPfl jedoch nur zur Übermittlung des Mindestumfangs nach § 51 Abs 4 Nr 1b EStG gezwungen werden, nicht aber zu dessen Lieferung mit korrekten Werten (s Rust...