Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 150
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Das EStG kennt zwar AK als Bewertungsmaßstab (§ 6 Abs 1 Nr 1 und 2 EStG), liefert jedoch keine eigenständige Definition. Von jeher wird deshalb für die StB (vgl auch H 6.2 EStH 2022) ohne Einschränkung die Definitionsnorm des § 255 Abs 1 HGB bemüht. Diese lautet:
Zitat
"AK sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Zu den AK gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen AK. Anschaffungspreisminderungen, die dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können, sind abzusetzen."
Diese Norm transformiert begrifflich spürbar erweiternd Art 35 Abs 2 der 4. EG-Richtlinie, der lautet:
Zitat
"Zu den AK gehören neben dem Einkaufspreis auch die Nebenkosten."
Die erweiternde HGB-Definition ist ersichtlich im Interesse der damals hoch im Kurs stehenden Steuerneutralität der Transformation der Bilanzrichtlinien in das deutsche Rechnungslegungsrecht beeinflusst. Es sollte die tradierte Auslegung des AK-Begriffes durch den BFH zur Weiterführung berechtigen.
Das EStG verwendet den AK-Begriff nicht nur iRd Bewertungsvorschriften für die Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich. Auch bei den sog Überschusseinkünften stellen AK ein entscheidendes Besteuerungsmerkmal dar, § 9 Abs 1 Nr 7 EStG sowie § 23 Abs 3 S 1 EStG. Auch die besondere Gewinnermittlung nach § 17 EStG stützt sich auf den (im EStG undefinierten) AK-Begriff.
In Ermangelung einer solchen eigenständigen Definition verwendet auch die BFH-Rspr die Definitionsnorm des § 255 Abs 1 HGB mit der Begründung, dass die handelsrechtliche Definition der AK durch das BiRiLiG "auf die Steuerrechtspraxis zurückgeht" (BFH BStBl II 1995, 895/96). Es kommt dadurch zu einer praktisch sinnvollen Verzahnung handels- und steuerlicher Bilanzierungsnormen. Das Gleiche gilt im Übrigen für die HK (s Rn 256, 286 sowie GrS BFH BStBl II 1990, 830/33). Zum Inhalt der AK nach IAS s Rn 164.
Rn. 150a
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Häufig wird in der BFH-Rspr auf einen "einheitlichen AK-Begriff" im EStG verwiesen, nämlich in der Übernahme der Definitionsnorm des § 255 Abs 1 HGB (vgl hierzu zB BFH v 19.12.2000, IX R 100/97, BStBl II 2001, 345). Das soll für die Überschusseinkünfte in gleicher Weise wie die Gewinneinkünfte der Fall sein – so der BFH im zitierten Urt. In diesem ging es um Einkünfte iSd § 23 EStG, für die der IX. BFH-Senat uneingeschränkt die Definitionsnorm des § 255 Abs 1 HGB anwandte. Gleiches gilt für die Einkünfte aus VuV, wofür das Urt des BFH v 12.09.2001, IX R 39/97, BStBl II 2003, 569 als Beleg dienen mag.
Für die WG in einem BV gelten die Bestandteile der HGB-Definitionsnorm im Normalfall ebenfalls. Besonderheiten gelten indes für die Beteiligungen an KapGes, insb diejenigen im PV, also im Statut des § 17 EStG. Im letztgenannten Fall konnten bislang Verluste von Gesellschafterdarlehen uU zu sog nachträglichen AK auf die Beteiligung führen, obwohl sie mit dem Anschaffungsvorgang der Beteiligung absolut nichts zu tun hatten. Es lagen in begriffslogischer Betrachtung AK ohne Anschaffung vor. Zu beachten ist, dass der BFH seine Rspr nach Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts mit Urt BFH v 11.07.2017, BFHE 258, 427 angepasst hat (s § 17 Rn 200ff (Karrenbrock)). Danach können nachträgliche AK nur noch dann vorliegen, wenn die v Gesellschafter gewährte FK-Hilfe aufgrund der vertraglichen Abreden mit der Zuführung einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen wirtschaftlich vergleichbar ist.
Im Grundsatz gilt, dass mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG die gesetzliche Grundlage für die bisherige Rspr zur Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche AK iRd § 17 EStG entfallen ist. So führen Aufwendungen des Gesellschafters aus seiner Inanspruchnahme als Bürge für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr zu nachträglichen AK auf seine Beteiligung. Eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung dieses Urt (21.09.2017) geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist. Die FinVerw hat dieses Urt mit dem Schreiben des BMF v 05.04.2019, BStBl I 2019, 257 anerkannt. Danach kann auf bis zum 27.09.2017 geleistete Finanzierungshilfen auf Antrag die bisherige Rechtslage weiter angewandt werden.
Dieser Rspr kommt keine Bedeutung für Anteile an KapGes in einem BV zu (s Rn 701). Der AK-Begriff des § 17 EStG in der st BFH-Rspr ist als normspezifisch zu werten (s § 17 Rn 186ff (Karrenbrock)).
Für Beteiligungen an KapGes in einem BV gilt uU ein besonderer AK-Begriff. Angesprochen sind dabei Zuschüsse uÄ, Stützungsmaßnahmen des Mutterunternehmens an die Tochtergesellschaft, insb in Form von sog verdeckten Einlagen (wegen Einzelheiten s Rn 70...