Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 1801
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Eine Ausnahme von dem Realisationszwang bei Tauschvorgängen machte das Tauschgutachten des BFH v 16.12.1958, BStBl III 1959, 30, das im BMF v 09.02.1998, BStBl I 1998, 163 ausgelegt worden ist. Voraussetzung für die Anwendung dieses Tauschgutachtens und damit der gewinnneutralen buchmäßigen Behandlung des Tauschvorgangs war die Wert-, Art- und Funktionsgleichheit der getauschten Anteile an KapGes (Tausch sog nämlicher WG). Die Einschränkung der Anwendung des Tauschgutachtens auf Anteile an KapGes war bzw ist zwar strittig, doch können die drei genannten Sachverhaltsmerkmale der "Gleichheit" praktisch nur bei KapGes-Anteilen überhaupt als Problem auftauchen und gelöst werden.
Das genannte BMF-Schreiben setzt sich mit diesen abstrakten Sachverhaltsmerkmalen ausführlich auseinander. Gleichwohl wurde bzw wird in der Praxis ein nennenswerter Tausch von Gesellschaftsanteilen unter Heranziehung der Grundsätze des Tauschgutachtens nur im vorherigen Einvernehmen mit dem FA durchgeführt werden können.
Vor diesem politischen Hintergrund erklärt sich auch, weshalb das StEntlG 1999/2000/2002 die Einführung des § 6 Abs 6 S 1 EStG in die Gesetzeslandschaft mit der Begründung versah (BT-Drs 14/23, 173), dass damit das Tauschgutachten des BFH sowie das BMF-Schreiben aaO außer Kraft gesetzt würden. Von dieser ab 1999 gültigen Rechtslage ging auch das Schrifttum und die FinVerw (R 32a Abs 1 S 2 EStR 1999) aus (zweifelnd nur Thömmes/Scheipers, DStR 1999, 609). In den gültigen EStR fehlt eine Stellungnahme.
Überraschend hat die OFD Frankfurt/M v 21.05.2001, GmbHR 2001, 684 diese "Abschaffung" des Tauschgutachtens implizit nicht bestätigt (im Einvernehmen mit dem BMF). Das lässt sich aus dem Gesetzeswortlaut auch negativ ableiten, weil die jetzige Gesetzeslage eigentlich schon immer galt und das Tauschgutachten eben nur eine spezifische Ausnahme von der unveränderten Rechtslage machte. Allerdings hat die OFD Frankfurt/M v 20.09.2001, GmbH-StB 2002, 131 diese Verfügung wieder zurückgenommen. Nach Scholten/Griemla/Theunissen, Ubg 2009, 628 soll das Tauschgutachten (immer noch) auf Tauschvorgänge anwendbar sein.
Inwieweit sich daraus eine (erneute) Änderung der Rechtslage aus Sicht der Steuergestaltung ergibt, bleibt mit einiger Skepsis abzuwarten. Denn letztlich sind einschlägige Gestaltungen außerhalb des Regelungsbereiches des § 20 Abs 1 S 2 und § 23 Abs 4 UmwStG nur in Abstimmung mit dem FA realisierbar, und ob dessen Zustimmung im Hinblick auf den ausdrücklichen Wunsch des Gesetzgebers – mag dieser auch im G nicht richtig zum Ausdruck gebracht worden sein – im Einzelfall ergeht, muss mit Zurückhaltung beurteilt werden.
Rn. 1802–1803
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
vorläufig frei