Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 1438c
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Inwieweit die Rechtsfolge des § 6 Abs 3 S 2 EStG ausgelöst wird, hängt davon ab, ob eine quotale, unterquotale oder überquotale Übertragung von funktional wesentlichem Sonder-BV vorliegt. Keine Bedeutung für die Anwendung des § 6 Abs 3 EStG erlangt es hingegen, wenn nicht wesentliches Sonder-BV nicht oder über- bzw unterquotal übertragen oder ins PV entnommen wird (BMF v 20.11.2019, BStBl I 2019, 1291 Rz 33; s Rn 1438b). Dies gilt auch, wenn diese WG veräußert oder zu Buchwerten überführt werden (Uhl-Ludäscher in H/H/R, § 6 EStG Rz 1263 (08/2021)).
Dabei unterliegt lediglich die unterquotale Übertragung von Sonder-BV dem Anwendungsbereich des § 6 Abs 3 S 2 EStG, nach strittiger Auffassung der FinVerw liegt in diesen Fällen insgesamt eine Übertragung nach § 6 Abs 3 S 2 EStG vor (BMF v 20.11.2019, BStBl I 2019, 1291 Rz 25; s Rn 1539). In allen Fällen nimmt das gesamte mitübertragene Sonder-BV an der Rechtsfolge des § 6 Abs 3 S 1 EStG teil, wenn die nicht mitübertragenen WG weiterhin zum BV derselben Mitunternehmerschaft gehören.
Auch in diesen Fällen, wenn das Sonder-BV "unterquotal", also nicht entsprechend dem übertragenen Anteil am Gesamthandsvermögen übertragen wird, ist damit eine Buchwertübertragung des Teils des Mitunternehmeranteils möglich, löst jedoch auf Seiten des Begünstigten eine Behaltefrist (oder auch als Sperrfrist bezeichnet) aus.
Hinsichtlich der Frage, ob das Sonder-BV quotal, unterquotal oder überquotal übertragen wird, hat die FinVerw bislang die Auffassung vertreten, dass grds alle funktional wesentlichen WG des Sonder-BV quotal in dem Verhältnis übergehen müssen, das dem übertragenen Anteil am Gesamthandsvermögen entspricht, was letztlich eine anteilige Übertragung der WG des Sonder-BV notwendig machen würde (sog wirtschaftsgutbezogene Betrachtungsweise). Diese Auffassung hat die FinVerw mit BMF v 20.11.2019 zugunsten der sog wertmäßigen Betrachtung aufgegeben.
Folgendes Bsp (angelehnt an BMF v 20.11.2019, BStBl I 2019, 1291 Rz 23; vgl Kraft, NWB 2020, 24) verdeutlicht die unterschiedlichen Ansätze:
Beispiel: Quotale Übertragung von Sonder-BV nach der wertmäßigen Betrachtungsweise
Vater V ist alleiniger Gesellschafter einer GmbH & Co KG, wobei die Komplementärin nicht am Vermögen beteiligt ist. Zum Sonder-BV des Vaters gehören zwei wertgleiche Grundstücke. Nun möchte der Vater auf seinen Sohn S unentgeltlich 50 % seines Mitunternehmeranteils übertragen, wobei er sich ein Grundstück zurückbehält.
Lösung:
Nach der bisherigen Auffassung der FinVerw würde eine quotale Übertragung des Sonder-BV lediglich dann vorliegen, wenn alle WG des funktional notwendigen Sonder-BV entsprechend der Übertragungsquote anteilig (hier zu jeweils 50 %) mit übertragen würden. Da der Vater in dem Bsp jedoch nur das eine Grundstück überträgt, würde nach der wirtschaftsgutbezogenen Betrachtungsweise eine unterquotale Übertragung des Sonder-BV vorliegen, welche dem Anwendungsbereich des § 6 Abs 3 S 2 EStG (und damit einer Sperrfrist) unterfällt.
Nach der wertmäßigen Betrachtung hingegen, muss nicht anteilig jedes einzelne funktional notwendige WG des Sonder-BV übertragen werden, damit eine quotale Übertragung vorliegt, sondern lediglich der entsprechende Anteil an dem Wert des Sonder-BV. Im Beispielsfall würde also eine quotale Übertragung nach § 6 Abs 3 S 1 EStG vorliegen, da insgesamt 50 % Mitunternehmeranteil und 50 % des wertmäßigen funktional wesentlichen Sonder-BV übertragen werden. Eine Sperrfrist löst die Übertragung folglich nicht aus.
Sollten die Grundstücke einen unterschiedlichen Wert haben, würde je nach Wertverhältnis eine unterquotale oder überquotale Übertragung von Sonder-BV vorliegen.
Rn. 1438d
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Die dargestellten Grundsätze gelten für die unentgeltliche Aufnahme in ein Einzelunternehmen entsprechend (vgl BMF v 20.11.2019, BStBl I 2019, 1291 Rz 23; s Rn 1452).