Rn. 71
Stand: EL 170 – ET: 01/2024
Die Anknüpfung des Kindergeldanspruchs an die Angabe der jeweiligen steuerlichen Identifikationsmerkmale von Antragstellern und Kindern als materielle Tatbestandsvoraussetzung und nicht nur als Verfahrensregelung (Wendl in H/H/R, § 63 Rz 15 (Juni 2020); Selder in Brandis/Heuermann, § 63 EStG Rz 40 (Oktober 2021), verhindert nach BT-Drucks 18/2581, 20 ungerechtfertigte Doppelzahlungen, da dann nur für ein durch das steuerliche Identifikationsmerkmal eindeutig identifiziertes Kind Kindergeld gezahlt wird, O 2.9 DA-KG 2023; A 22.1 DA-KG 2023. Da die Regelungen in § 63 Abs 1 S 3 und 4 EStG danach differenzieren, ob das Kind nach einem Steuergesetz im Inland stpfl ist (§ 63 Abs 1 S 3 EStG) oder nicht (§ 63 Abs 1 S 4 EStG) und daran unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen anknüpfen – einerseits die Identifizierung des Kindes durch die ID-Nr (§ 63 Abs 1 S 3 EStG), andererseits die Identifizierung durch andere geeignete Nachweise – könnte zweifelhaft erscheinen, ob § 63 Ab1 S 3 und 4 EStG mit dem Unionsrecht und mit Art 3 GG vereinbar sind oder ob ein Fall der Inländerdiskriminierung gegeben ist, vgl dazu Selder in Brandis/Heuermann, § 63 EStG Rz 55ff (Oktober 2021).
Rn. 72
Stand: EL 170 – ET: 01/2024
Sieht man die Regelungen in § 63 Abs 1 S 3 EStG und in § 63 Abs 1 S 4 EStG als materielle Tatbestandsmerkmale, ist zu prüfen, ob eine Inländerdiskriminierung in dem Fall vorliegt, dass der Berechtigte das im Inland stpfl Kind nicht durch dessen ID-Nr identifiziert, wohl aber durch andere geeignete Nachweise iSd § 63 Abs 1 S 4 EStG, so Selder in Brandis/Heuermann, § 63 EStG Rz 40 (Oktober 2021): Anwendung des § 63 Abs 1 S 4 EStG auf Inlandsfälle im Wege der verfassungskonformen Auslegung.
Dem ist nicht zu folgen. Der Berechtigte kann die ID-Nr des im Inland stpfl Kindes in Erfahrung bringen, ihm werden deshalb im Inlandsfall keine weitergehenden Pflichten auferlegt als in dem Fall, dass das Kind nicht im Inland stpfl ist. Es liegt eine zulässige Differenzierung danach vor, ob für das Kind eine (inländische) ID-Nr bzw eine ausländische ID-Nr erteilt worden ist oder ob das nicht der Fall ist. Unterscheiden sich der Inlandssachverhalt (für das Kind wurde eine ID-Nr erteilt) und der Auslandssachverhalt (dem Kind wurde im Ausland keine persönliche ID-Nr erteilt), ist die Anknüpfung an unterschiedliche Tatbestandsmerkmale europarechtlich und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, Wendl in H/H/R, § 63 EStG Rz 15 (Juni 2020). Dem Berechtigten werden in Bezug auf das im Inland stpfl Kind keine weitergehenden, dh schwerer zu erfüllenden Nachweispflichten auferlegt als in Bezug auf ein nicht im Inland stpfl Kind. Zudem sollen für inländische Antragsteller, deren Kinder sich im Inland aufhalten, durch die Gesetzesänderung andere Formen der Identitätsprüfung entbehrlich werden, BT-Drucks 18/2581, 11.
Allenfalls in Fällen, in denen der Berechtigte aus persönlichen Gründen erkennbar nicht dazu in der Lage ist, die ID-Nr seines im Inland stpfl Kindes in Erfahrung zu bringen, wird eine (prozessuale) Verpflichtung der Familienkasse oder des FG anzunehmen sein, iRd Amtsermittlungsgrundsatzes die ID-Nr des Kindes beim BZSt abzufragen, vgl dazu BZSt vom 17.02.2017, BStBl I 2017, 432; A 22.1 Abs 1 S 3 DA-KG 2023; Selder in Brandis/Heuermann, § 63 EStG Rz 40 (Oktober 2021).
Rn. 73
Stand: EL 170 – ET: 01/2024
An die Kinder, die die in § 63 Abs 1 EStG genannten Voraussetzungen erfüllen, wird eine ID-Nr nach § 139b AO vergeben, falls sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und damit nach § 1 Abs 1 EStG unbeschränkt estpfl sind oder nach § 1 Abs 2 EStG unbeschränkt estpfl sind oder nach § 1 Abs 3 EStG auf Antrag als unbeschränkt estpfl behandelt werden. Beschränkt stpfl ist das Kind nach § 1 Abs 4 EStG, wenn es in Deutschland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und in Deutschland Einkünfte erzielt, in Deutschland jedoch nicht unbeschränkt stpfl ist oder als solches behandelt wird, BZSt vom 22.12.2015, BStBl I 2016, 12 Rz 1. Das Verwaltungsverfahren in der Familienkasse wird vereinfacht, weil nunmehr weitere Nachweise (Geburtsbescheinigung für Kindergeldzwecke, Geburtsurkunden) grundsätzlich entbehrlich sind.
Eine dem Kind in Deutschland erteilte ID-Nr ist immer anzugeben. Wenn an das Kind noch keine ID-Nr vergeben worden ist, muss eine solche beantragt werden. Falls der berechtigten Person die ID-Nr des Kindes nicht bekannt ist, kann sie diese über das Eingabeformular (www.bzst.de unter Steuern national, steuerliche ID-Nr) erneut anfordern, BZSt vom 05.06.2015, BStBl I 2015, 511 Rz 1.
Rn. 74
Stand: EL 170 – ET: 01/2024
Das Kind ist identifiziert, wenn der Familienkasse zu dem Kind eine ID-Nr vorliegt. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Familienkasse die Information durch den Berechtigten, ein maschinelles Anfrageverfahren (MAV) oder analoges Dialogverfahren (ADI) erhalten hat. Zur Erhebung der ID-Nr nach § 139b AO für Bestandsfälle hat das BZSt den Familienkassen ein...