Tobias Müller, Dr. Katrin Dorn
Rn. 1
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Der 1964 in das EStG eingefügte § 6b EStG ist in besonderer Weise durch eine wirtschaftspolitische Ausrichtung gekennzeichnet (Lenkungsnorm). In der Begründung des damaligen Gesetzentwurfes ist von ökonomisch sinnvollen Anpassungen der Wirtschaft an strukturelle Veränderungen der Produktionstechnik, der Verteilungswirtschaft und der regionalen Ausrichtung die Rede. Solche Anpassungen werden bei der Veräußerung von Anlagegütern erschwert, wenn hohe Buchgewinne der normalen Gewinnbesteuerung unterliegen.
Der § 6b EStG dient der Verschonung von der Steuerbelastung im Falle von gesamtwirtschaftlich als sinnvoll erachteten Umstrukturierungen, die verbunden sind mit der Veräußerung von Anlagegegenständen bei zeitlich damit einhergehender Reinvestition.
Musterbeispiel:
Veräußerung des Fabrikareals in der Innenstadt und Neubau im Industriegebiet ("auf der grünen Wiese").
Bis zum heutigen Tag durchzieht deshalb das "Tandem" von Veräußerung einerseits und Reinvestition andererseits den umfangreichen Regelungsgehalt dieser Rechtsnorm (s Rn 176ff).
Rn. 2
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Inhaltlich besteht die steuersubventionelle Förderung nicht im Verzicht auf eine Besteuerung, sondern in einer zeitlichen Streckung bzw Verschiebung des Besteuerungszeitpunkts für die aufgedeckten stillen Reserven. Das geschieht durch Übertragung der realisierten stillen Reserven auf Ersatz-WG dergestalt, dass diese mit gegenüber den eigentlichen AK/HK niedrigerem Ausgangswert in das BV eingebucht werden; dies wiederum hat eine niedrigere Abschreibungsbasis zur Folge und führt zu einem ceteris paribus höheren Gewinn bei einem späteren Veräußerungsvorgang oÄ (des Ersatz-WG).
Der Fiskus verzichtet also nicht auf sein Besteuerungsgut, sondern schiebt den Steueranspruch zeitlich hinaus.
Rn. 3
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
§ 6b EStG eröffnet dem StPfl die Möglichkeit, dass die stillen Reserven aus der Veräußerung oder gleichgestellter Vorgänge bestimmter WG des AV vorläufig nicht besteuert werden, weil diese unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen einer begünstigten Investition auf ein Reinvestitionsgut übertragen werden oder in eine Rücklage eingestellt werden. Bei Übertragung der stillen Reserven auf die AK/HK des Ersatz-WG wird ein Aufschub der Besteuerung erreicht, weil sich der Bilanzansatz der angeschafften oder hergestellten WG in Höhe der übertragenen stillen Reserven entsprechend um den realisierten Veräußerungsgewinn mindert. Infolgedessen mindert sich auch die Bemessungsgrundlage der Abschreibung und folglich der jährlichen Abschreibung, wodurch sich die Steuerlast über die Abschreibungsdauer dann erhöht.
Sollte trotz Rücklagenbildung keine Anschaffung erfolgen, ist diese gewinnerhöhend aufzulösen und entsprechend zu verzinsen.
Über § 6c EStG gilt dieses Wahlrecht auch für StPfl, die ihren Gewinn nach § 4 Abs 3 EStG ermitteln. Ein Zwang zur Neutralisierung der stillen Reserven besteht nicht.
Beispiel zum Regelungsinhalt des § 6b EStG:
Der Einzelunternehmer A veräußert ein Grundstück, das seit langer Zeit zu seinem BV gehört, mit einem Veräußerungsgewinn von TEUR 500.
Eine Verhinderung der sofortigen Besteuerung der stillen Reserven ist unter den Voraussetzungen des § 6b EStG möglich. Dies gelingt, wenn A zB noch in diesem Jahr ein anderes bebautes Grundstück anschafft, zB für TEUR 1 000. Dann können die stillen Reserven auf die AK dieses Grundstückes übertragen werden. In der Bilanz wird dieses dann entsprechend mit einem geringeren Wert ausgewiesen (hier TEUR 1 000 ./. TEUR 500 = TEUR 500).
Die Bemessungsgrundlage des Gebäudes ist im Vergleich zu den AK entsprechend geringer, so dass ein Teil des Veräußerungsgewinns über die Abschreibungsdauer besteuert wird.
- Sollte A zunächst kein Grundstück anschaffen, aber eine Anschaffung planen, kann er den Veräußerungsgewinn zunächst in eine Rücklage einstellen. Auch dadurch wird zunächst die sofortige Besteuerung des Veräußerungsgewinns verhindert.
- Sollte A kein Ersatz-WG anschaffen, ist die Rücklage nach einer bestimmten Zeit gewinnerhöhend aufzulösen und zu verzinsen.
Rn. 4
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Wegen der Übertragungsmöglichkeiten im Zeitverlauf, insb zur Rücklagenbildung und zur Buchungstechnik, s Rn 53ff.
Rn. 5–8
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
vorläufig frei