Rn. 720
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Zum Tatbestand der doppelten Haushaltsführung gehört ferner, dass der StPfl am Ort der ersten Tätigkeitsstätte eine zweite Wohnung unterhält und von dort aus seiner beruflichen Tätigkeit nachgeht.
Der Ort der ersten Tätigkeitsstätte (bis VZ 2013 Beschäftigungsort) ist nach st Rspr weit auszulegen, so dass darunter insbesondere nicht nur die politische Gemeinde, in der die erste Tätigkeitsstätte liegt, zu verstehen ist (BFH v 16.01.2018, VI R 2/16, BFH/NV 2018, 712). Auch eine Wohnung, die sich zwar nicht in der politischen Gemeinde der der ersten Tätigkeitsstätte, aber in einer Entfernung von dieser befindet, von der aus die erste Tätigkeitsstätte täglich in zumutbarer Weise aufgesucht werden kann, wird "am Beschäftigungsort" (seit VZ 2014 Ort der ersten Tätigkeitsstätte) unterhalten (BFH v 09.11.1971, VI R 96/70, BStBl II 1972, 134; BFH v 02.10.2008, VI B 33/08). Nach dieser Rspr dient eine Wohnung dem Wohnen am Ort der ersten Tätigkeitsstätte, wenn sie dem ArbN ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen ermöglicht, seine erste Tätigkeitsstätte täglich aufzusuchen. Dies ist bei Wegezeiten von etwa einer Stunde noch gegeben (BFH v 19.04.2012, VI R 59/11, BStBl II 2012, 833; BFH v 26.06.2014, VI R 59/13, BFH/NV 2015, 10; BMF v 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 Tz 103).
Konsequenz dieser Rspr ist im Gegenzug, dass der Ort der ersten Tätigkeitsstätte vom eigenen Hausstand nicht in etwa einer Stunde erreichbar sein darf, weil sie in diesem Fall nämlich ebenfalls am Ort der ersten Tätigkeitsstätte belegen wäre (BFH v 16.11.2017, VI R 31/16, BStBl II 2018, 404; BFH v 16.01.2018, VI R 2/16, BFH/NV 2018, 712).
Rn. 721
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Anders als früher (hierzu s BFH v 16.12.1981, VI R 227/80, BStBl II 1982, 302; BFH v 28.01.1983, VI R 136/79, BStBl II 1983, 313; FG MV v 27.09.1995, I 200/93, EFG 1996, 175) kann der Ort der ersten Tätigkeitsstätte nicht mehr beweglich (wie zB ein Schiff, auf dem der Schiffer seine berufliche Tätigkeit ausübt und zugleich eine Unterkunft hat) sein. Denn der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte setzt nach der Legaldefinition in § 9 Abs 4 S 1 EStG die Ortsfestigkeit der betrieblichen Einrichtung voraus (zum Begriff der ersten Tätigkeitsstätte s Rn 591 ff; BFH v 04.04.2019, VI R 27/17, BStBl II 2019, 536; BFH v 11.04.2019, VI R 12/17, BStBl II 2019, 551). Insoweit liegt eine Auswärtstätigkeit vor.
Rn. 722
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Keine doppelte Haushaltsführung wird begründet, wenn der ArbN im Rahmen einer Auswärtstätigkeit/Einsatzwechseltätigkeit an einem auswärtigen Beschäftigungsort tätig wird und dort auch übernachtet (R 9.11 Abs 1 LStR 2015). Es fehlt hier an einer dauerhaften Bindung an einen Beschäftigungsort bzw Ort der ersten Tätigkeitsstätte (BFH v 11.05.2005, VI R 7/02, BStBl II 2005, 782; BFH v 11.05.2005, VI R 34/04, BStBl II 2005, 793; BFH v 13.06.2012, VI R 47/11, BStBl II 2013, 169). Insoweit gelten daher die reisekostenrechtlichen Regelungen. Seine frühere Rspr, wonach für den StPfl in derartigen Fällen ein Wahlrecht bestand, entweder die Rechtsfolgen einer doppelten Haushaltsführung oder jene der Einsatzwechseltätigkeit zu wählen (zB BFH v VI R 2/92, BStBl II 1995, 137), hat der BFH ausdrücklich aufgegeben.
Rn. 723
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Als Wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte ist jedwede Unterkunft zu verstehen, die dem StPfl zur Übernachtung dient und von der aus er sich arbeitstäglich zu seiner ersten Tätigkeitsstätte begibt. Es kann sich dabei um ein möbliertes Zimmer (BFH v 04.08.1967, VI R 261/66, BStBl III 1967, 727), eine Mietwohnung oder eine dem StPfl gehörende Eigentumswohnung handeln. Größe und Einrichtung sind unerheblich. Die Wohnung muss nicht dem bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff genügen (BFH v 14.10.2004, VI R 82/02, BStBl II 2005, 98). Wesentlich ist, dass die Wohnung ständig, dh auch während der Abwesenheitszeiten am Wochenende zur Verfügung steht.
Keine Wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wird vorgehalten, wenn der ArbN sich lediglich tageweise im Hotel einquartiert (BFH v 22.04.1998, XI R 59/97, BFH/NV 1998, 1216; FG Nds v 11.07.2001, 4 K 378/94, EFG 2002, 321; BFH v 05.08.2004, VI R 40/03, BStBl II 2004, 1074) oder gelegentlich mit dem Wohnmobil zum Arbeitsort fährt und dort übernachtet (FG He v 14.04.1988, IX 267/81, EFG 1988, 517). Anders dagegen, wenn der ArbN im Hotel ein festes Zimmer anmietet und dieses jederzeit zur Verfügung hat. Ausreichend ist auch eine Kaserne (BFH v 20.12.1982, VI R 123/81, BStBl II 1983, 269) oder ein Gleisbauzug der Bundesbahn (BFH v 03.10.1085, VI R 129/82, BStBl II 1986, 369).
Die Wohnung muss aus eigenem Recht genutzt werden können. Eine Übernachtung als Gast bei Freunden genügt nicht. Auf die Häufigkeit der Aufenthalte am Beschäftigungsort kommt es nicht an (BFH v 09.06.1988, VI R 85/85, BStBl II 1988, 990).
Rn. 724
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Der ArbN muss allein am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnen. Halten sich seine Ehefrau und seine Kinder längerfr...