Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Rechtswegzuständigkeit. Einstellung bzw Beschränkung der Vollstreckung einer Geldforderung. Erstattungsforderung des Grundsicherungsträgers. Vollstreckungsankündigung kein Verwaltungsakt. Zulässigkeit des Antrages auf Regelungsanordnung. Rechtmäßigkeit der Vollstreckung. keine Unbilligkeit. Einhaltung der Verjährungsfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit ist gegeben, wenn sich die antragstellende Person weder gegen die Art und Weise der Durchführung der Zwangsvollstreckung durch das Hauptzollamt, wofür nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO die Finanzgerichte zuständig sind, noch gegen die Art und Weise der Vollstreckung nach den Vorschriften der ZPO, wofür nach § 66 Abs. 4 SGB X die ordentlichen Gerichte zuständig sind, wendet, sondern - indem sie Einwendungen gegen die zu vollstreckenden Verwaltungsakte selbst beziehungsweise eine Vollstreckung hieraus erhebt - eine Unterlassung beziehungsweise Einstellung der Vollstreckung begehrt (Anschluss an Bayerisches LSG, Beschluss vom 29.04.2014, L 7 AS 260/14 B ER, juris Rn. 35, 36).
2. Bei einer Vollstreckungsankündigung handelt es sich mangels Regelungswirkung um keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X (Anschluss an BSG, Urteil vom 25.06.2015, B 14 AS 38/14 R, juris Rn. 15).
3. Ein auf die Unterlassung beziehungsweise Einstellung der Vollstreckung gerichteter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des § 86b Abs. 2 SGG ist statthaft (Anschluss an BSG, Urteil vom 25.06.2015, B 14 AS 38/14 R, juris Rn. 18-22, 25).
4. Als Rechtsgrundlage für eine Einstellung beziehungsweise Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus einem Bescheid eines in einer gemeinsamen Einrichtung mit einem anderen Träger zusammenwirkenden Jobcenters kommt § 40 Abs. 8 Halbsatz 1 SGB II in Verbindung mit §§ 1 bis 4 VwVG sowie § 5 VwVG in Verbindung mit §§ 249 ff. AO, insbesondere § 257 Abs. 1 AO und § 258 AO in Betracht.
5. Aus dem Verweis in § 50 Abs. 4 Satz 3 SGB X auf § 52 SGB X folgt, dass Verwaltungsakte, die - zugleich mit der Festsetzung der Erstattungsforderung nach § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X - zur Durchsetzung des festgestellten Erstattungsanspruchs ergehen, nach § 52 Abs. 2 SGB X eine Verjährungsfrist von 30 Jahren, gerechnet ab Rechtskraft des Durchsetzungsbescheides, in Gang setzen (Anschluss an Senatsurteil vom 11.12.2019, L 3 AS 3321/19, juris Rn. 25).
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.03.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Unterlassung beziehungsweise Einstellung der Zwangsvollstreckung.
Das Jobcenter Landkreis R. forderte von der Antragstellerin mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2012 für den Leistungszeitraum von Juni bis Juli 2011 eine Erstattung in Höhe von 559,53 €, mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2014 für den Leistungszeitraum Februar 2014 eine Erstattung in Höhe von 278,83 € und mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27.08.2014 für den Leistungszeitraum von März bis Mai 2014 eine Erstattung in Höhe von 840,00 €.
Ferner forderte die Bundesagentur für Arbeit von der Antragstellerin mit den Mahngebührenbescheiden vom 28.12.2011 sowie 29.01.2016 Mahngebühren in Höhe von insgesamt 13,85 € und fertigte Zahlungserinnerungen vom 22.07.2016, 16.01.2017, 11.07.2017, 11.01.2018 und 07.08.2019. Mit Vollstreckungsanordnung vom 21.11.2019 übermittelte die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit R. Inkasso-Service - die offenen Forderungen an das Hauptzollamt L.
Daraufhin erhielt die Antragstellerin vom Hauptzollamt L. die Vollstreckungsankündigung vom 02.01.2020 über eine Forderung in Höhe von 1.445,11 €. Es wurde darin mitgeteilt, die Antragstellerin könne die für sie mit zusätzlichen Kosten verbundene Vollstreckung vermeiden, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt dieser Vollstreckungsankündigung den Gesamtbetrag zahle. Werde der Betrag nicht oder nicht vollständig entrichtet, würden Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen. So würde das Hauptzollamt - ohne weitere Ankündigung - zum Beispiel beim Arbeitgeber den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens pfänden und einziehen, bei der Bank das Konto pfänden und/oder bewegliche Sachen durch Vollziehungsbeamte pfänden lassen. Gleichfalls könne das Hauptzollamt eine Auskunft über das Vermögen verlangen. Mit dieser Vollstreckungsankündigung werde die Antragstellerin nochmals auf die ihr bereits bekannt gegebenen vollstreckbaren Bescheide hingewiesen. Sie habe ausschließlich informellen und mahnenden Charakter und sei daher nicht rechtsbehelfsfähig.
Hiergegen wandte sich die Antragstellerin am 27.01.2020 unter Hinweis auf ein bereits am 26.01.2010 eingeleitetes Insolvenzverfahren und eine ...