Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren. ambulanter Pflegedienst. Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen. Rechtsverhältnis bei Streit über Wirksamkeit der Richtlinien zur häuslichen Krankenpflege
Orientierungssatz
1. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist jedenfalls dann vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren, wenn ohne solchen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung der Hauptsache nicht in der Lage wäre (vgl zB BVerfG vom 25.10.1988 - 2 BvR 745/88 = BVerfGE 79, 69).
2. Bei einem Antrag eines ambulanten Pflegedienstes auf Feststellung, dass die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur häuslichen Krankenpflege unwirksam sind, fehlt es an einem konkreten Rechtsverhältnis iS des § 55 Abs 1 Nr 1 SGG zwischen dem ambulanten Pflegedienst und dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen. Der ambulante Pflegedienst steht allenfalls in einem Rechtsverhältnis mit den Krankenkassen, die ihre Leistungen vergüten, wenn eine vertragsärztliche Verordnung vorliegt.
Tatbestand
Die Antragsteller beantragen im Beschwerdeverfahren noch die Feststellung, dass die Richtlinien des Antragsgegners zur häuslichen Krankenpflege unwirksam sind und weder die Zulässigkeit noch die Verordnungfähigkeit der Leistungserbringung entsprechend der Versorgungsverträge nach § 132 a SGB V beeinträchtigen.
Die Antragsteller betreiben einen ambulanten Pflegedienst, der zur Versorgung eines auf intensivpflegerische Maßnahmen angewiesenen Personenkreises zugelassen ist. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 07.06.2000 den Antrag auf Untersagung der Veröffentlichung der neugefaßten Richtlinien zur Verordnung der häuslichen Krankenpflege nach § 93 Abs. 7 SGB V im Bundesanzeiger abgewiesen. Den Antragstellern sei ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache zumutbar. Auch mit dem vor dem Sozialgericht hilfsweise und nunmehr nur noch gestellten Antrag sind die Antragsteller nicht durchgedrungen. Diesen Antrag hielt das Sozialgericht für unzulässig. Ein einstweiliger Rechtsschutzanspruch bestehe nur inter partes.
Zur Begründung ihrer Beschwerde tragen die Antragsteller vor, die Richtlinien würden unmittelbare Wirkung in der Weise entfalten, dass bereits bestehende Vertragsverhältnisse zu Kostenträgern ohne weitere Zwischenschritte unwirksam würden und neuerliche Vertragsverhältnisse nicht eingegangen werden könnten. Mit den Richtlinien sei gegenüber den Kostenträgern klargestellt, dass bestimmte Leistungen nicht mehr Gegenstand der häuslichen Krankenpflege sein könnten. Darüber hinaus bestehe eine Bindungswirkung der Richtlinien auch für die Ärzteschaft. Obwohl die Richtlinien nach § 92 SGB V unmittelbare Wirkung nur im Verhältnis zur Ärzteschaft und im Verhältnis zu den Versicherten entfalte, würden die ambulanten Pflegedienste unmittelbar betroffen. Der Ärzteschaft sei es nunmehr verwehrt, intravenöse Medikamentengaben zu verordnen. Sie sähen sich vor die Wahl gestellt, die vertraglich zugesicherte Versorgung der Patienten augenblicklich einzustellen und hierdurch womöglich eine Körperverletzung durch Unterlassen zu begehen oder aber diese Leistung ohne jede legitimierende Grundlage fortzusetzen, was den Tatbestand einer gefährlichen Körperverletzung erfüllen könnte.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist statthaft. Der Senat hat aber bereits Zweifel an der Zulässigkeit des gestellten Feststellungsantrags. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist im sozialgerichtlichen Verfahren jedenfalls dann vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren, wenn ohne solchen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung der Hauptsache nicht in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 ff.; 46, 166 ff.). Entsprechend den im SGG vorgesehenen Klagearten kann danach die aufschiebende Wirkung aufgehoben oder angeordnet sowie eine Regelungsanordnung erlassen werden. Auch eine Feststellung im Rahmen einer einstweiligen Anordnung kommt in Betracht. Voraussetzung hierfür ist aber, dass ein entsprechender Antrag auch im Hauptsacheverfahren zulässig wäre. Das ist hier nicht der Fall. Es fehlt es an einem konkreten Rechtsverhältnis i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zwischen den Antragstellern und dem Antragsgegner. Die Antragsteller stehen allenfalls in einem Rechtsverhältnis mit den Krankenkassen, die ihre Leistungen vergüten, wenn eine vertragsärztliche Verordnung vorliegt. Der Sache nach haben die Antragsteller einen abstrakten Normenkontrollantrag gestellt. Ein solcher Antrag ist im Sozialgerichtsgesetz jedoch nicht vorgesehen. Dementsprechend kann auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kein solcher Feststellungsantrag gestellt werden. Ob die besonderen Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zulässigkeit einer Feststellungsklage vorliegen (vgl. BSGE 72, 15, 19 ff.), ist zweifelhaft. Da die Antra...