Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an einen zur Begutachtung von Fibromyalgie zu bestellenden Sachverständigen
Orientierungssatz
1. Ein zur Begutachtung von Fibromyalgie zu bestellender Sachverständiger muss über fachübergreifende Erfahrungen hinsichtlich der Diagnostik und der Beurteilung des Krankheitsbildes verfügen, unabhängig davon, ob er von Haus aus als Internist, Rheumatologe, Orthopäde, Neurologe oder Psychiater tätig ist (vgl BSG vom 3.7.2002 - B 5 RJ 18/01 R sowie vom 9.4.2003 - B 5 RJ 80/02 B).
2. Um sich vom Vorliegen einer Krankheit zu überzeugen, braucht ein Sachverständiger nicht sämtliche Untersuchungen selbst vorzunehmen, soweit diese bereits fachgerecht und zur ärztlichen Überzeugungsbildung ausreichend vorgenommen worden sind.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.3.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die am 00.00.1969 geborene Klägerin, die den Beruf der Arzthelferin erlernt und zuletzt ausgeübt hat, begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Vom 4.6.2014 bis zum 2.7.2014 unterzog die Klägerin sich einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik X in Bad B, aus der sie u.a. mit den Diagnosen Fibromyalgiesyndrom/chronisches Schmerzsyndrom als aufgrund des psychischen Leistungsbildes (Verdacht auf eine Anpassungsstörung bzw. depressive Störung) arbeitsunfähig entlassen wurde. Sie sei aber noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend in sitzender, gehender und stehender Körperhaltung in Tagesschicht, ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule und andauernde Arbeiten in vorgebeugter Körperhaltung sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Aufgrund der Selbsteinschätzung der Klägerin bestehe jedoch eine ungünstige sozialmedizinische Prognose.
Am 11.12.2014 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte holte einen Befundbericht von Dr. S, Zentrum für seelische Gesundheit - Klinik N - in X ein und ließ die Klägerin sodann begutachten: Die Chirurgin Dr. W kam nach ambulanter Untersuchung am 20.2.2015 zu den Diagnosen Hallux valgus beidseits mit Arthrose der Großzehengrundgelenke und chronisches Schmerzsyndrom mit Verdacht auf Fibromyalgie. Sie äußerte zudem den Verdacht auf eine Somatisierungsstörung. Die Klägerin könne noch alle leichten körperlichen Tätigkeiten in Tagesschicht und wechselnder Körperhaltung ohne schweres Tragen und Heben, Bücken, Überkopfarbeiten oder Besteigen von Leitern sechs Stunden und mehr ausüben. Der Neurologe Dr. M und der Facharzt für Nervenheilkunde I kamen nach Untersuchung der Klägerin am 7.4.2015 zu den Diagnosen generalisiertes Schmerzsyndrom betont der Gelenke, aber auch der Muskeln, sowie Panikattacken. Unter Einsatz aller Behandlungsoptionen bleibe die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, überwiegend sitzend, vollschichtig ohne Nachtschichten belastbar. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag der Klägerin daraufhin mit der Begründung ab, diese sei noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich erwerbstätig zu sein (Bescheid v. 4.5.2015).
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, zu dessen Begründung sie u.a. einen Bericht des sie behandelnden psychologischen Psychotherapeuten N1 vorlegte, der sie als nicht arbeitsfähig und auch in der allgemeinen Alltagsbewältigung deutlich eingeschränkt beschrieb. Der die Klägerin ebenfalls behandelnde Internist und Rheumatologe Dr. I1 bescheinigte anhaltende Beschwerden mit dem klinisch typischen Befund einer Fibromyalgie. Die Leitende Ärztin der Klinik für Allgemeinpsychiatrie und Psychotherapie I des Klinikums P - Kreiskrankenhaus X - nahm aufgrund der Diagnosen Fibromyalgie, Angst- und Panikstörung, mittelgradige depressive Episode und chronische Schmerzstörung mit organischen und psychischen Faktoren gleichfalls Arbeitsunfähigkeit und erhebliche Einschränkungen der Klägerin in ihren körperlichen, psychischen und sozialen Funktionen an (ärztliche Stellungnahme zur Vorlage bei der Beklagten v. 27.7.2015). Ergänzend legte die Klägerin einen Bericht des Krankenhauses St. K in X über ihren dortigen stationären Aufenthalt vom 24.8 bis 9.9.2015 vor.
Die Beklagte holte eine Arbeitgeberauskunft des Internisten Dr. E ein und wies den Widerspruch der Klägerin sodann zurück (Widerspruchsbescheid v. 28.12.2015).
Die Klägerin hat am 27.1.2016 Klage zum Sozialgericht (SG) Köln erhoben und zur Begründung ihres Rentenbegehrens auf das Vorliegen einer chronischen Depression mit Panikattacken sowie ein somatoformes Schmerzsyndrom bei Fibromyalgie verwiesen. Sie sehe sich nicht in der Lage, auch die leichtesten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr zu verrichten. Sie leide täglich unter dauerhafte...