Dividenden von inländischen Kapitalgesellschaften: Was gilt bei steuerbefreiten öffentlich-rechtlichen Versorgungswerken?
Dividenden, die ein öffentlich-rechtliches Versorgungswerk von inländischen Kapitalgesellschaften in seinem steuerbefreiten Betrieb gewerblicher Art bezieht, unterliegen für Körperschaftsteuerzwecke einem abgeltenden Kapitalertragsteuerabzug von den Bruttoeinnahmen mit einer teilweisen Abstandnahme auf 3/5 des Steuerabzugs. Dies verletzt nach der im Jahr 2010 geltenden Rechtslage nicht den allgemeinen Gleichheitssatz.
Hintergrund
Das öffentlich-rechtliche berufsständische Versorgungswerk V (unselbstständige Anstalt der Ärztekammer Niedersachsen) wurde körperschaftsteuerlich als Betrieb gewerblicher Art eingeordnet. Für die im Betrieb gewerblicher Art erzielten gewerblichen Einkünfte war V zwar unbeschränkt steuerpflichtig, jedoch nach § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG für Zwecke der Körperschaftsteuer steuerbefreit.
Im Jahr 2010 erzielte V im Betrieb gewerblicher Art Kapitalerträge (Dividenden) aus Investmentfonds. V beantragte für diese Kapitalerträge die Erteilung eines Freistellungsbescheids mit dem Ziel der Erstattung der Abzugsbeträge. V trug vor, der Steuerabzug von den Kapitalerträgen führe zu einer ungleichen Belastung im Vergleich mit nicht steuerbefreiten Körperschaften.
Das Finanzamt lehnte die Freistellung ab. Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht mit der Begründung zurück, die Ungleichbehandlung sei wegen der unterschiedlichen Sachverhalte hinzunehmen.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung des Finanzamts und des Finanzgerichts. Der von V geltend gemachte Gleichheitsverstoß liegt nicht vor. Die Revision wurde daher zurückgewiesen.
Trotz dieses Belastungsunterschieds ist es nicht gleichheitswidrig, dass dem V beim Bezug der Dividenden die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 und 5 KStG im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugs nicht gewährt wird. Denn die sachliche Steuerbefreiung empfangener Dividenden beim Bezug und während der Thesaurierung entspricht der Leitidee, dass es zu einer Weiterausschüttung an den letzten Anteilseigner kommt und erst diese Ausschüttung nochmals belastet werden soll. Zu einer solchen Weiterausschüttung kommt es bei V indes nicht. V ist für die im Betrieb gewerblicher Art erzielten inländischen Dividenden der "letzte Anteilseigner". Dementsprechend ist es sachgerecht, dass das Gesetz dem V im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugs keine sachliche Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 und 5 KStG gewährt, sondern eine Endbelastung vorsieht. Soweit durch die Versagung der Steuerbefreiung die Versorgungsbezüge einer verfassungswidrigen Vorbelastung unterworfen werden, wäre diese Frage beim Empfänger der Versorgungsbezüge (nicht aber auf Ebene des V) zu klären.
Die mit der teilweisen Abstandnahme vom Steuerabzug nach § 44a Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 EStG bei V eintretende Endbelastung von 15 % des zugeflossenen Ausschüttungsbetrags ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Sie ist mit der Belastung nach Nr. 2 abgestimmt und orientiert sich am tariflichen Steuersatz.
Die aufgrund der unterschiedlichen Abstandnahme vom Steuerabzug eintretende höhere Belastung der Kapitalerträge bei V im Vergleich zur Belastung bei einer gemeinnützigen, steuerbefreiten, Körperschaft verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz. Es ist weder willkürlich noch sachwidrig, dass der Gesetzgeber gemeinnützigen Körperschaften für im steuerbefreiten Bereich bezogene Kapitalerträge anders als dem V eine vollständige Abstandnahme vom Steuerabzug zugesteht. Der Gesetzgeber will gemeinnützige Körperschaften mit der vollständigen Abstandnahme vom Steuerabzug für die im Rahmen der steuerfreien Vermögensverwaltung – außerhalb eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs – bezogenen Kapital- und Wertpapierleiherträge bewusst zusätzlich entlasten, um deren gemeinnützige Zweckverfolgung besonders zu fördern. Der Gesetzgeber darf daher die Verfolgung gemeinnütziger Zwecke gegenüber der Tätigkeit des V als förderungswürdiger beurteilen. Als berufsständisches Versorgungswerk dient V nicht der Allgemeinheit, sondern der Versorgung eines fest abgeschlossenen Personenkreises (Kammermitglieder, Hinterbliebene).