Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Bestimmung des Zeitraums „innerhalb von zehn Jahren” nach § 14 Abs. 1 Satz 1 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG)
Leitsatz (redaktionell)
- Zum Begriff des Zeitraums „innerhalb von 10 Jahren” nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG.
- Der Zehn-Jahres-Zeitraum nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist so zu bestimmen, dass die natürlich Länge von 10 Jahren zwischen Schenkung und vor Erwerben nicht überschritten werden darf.
Normenkette
ErbStG § 14 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob zwei Schenkungen gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) „innerhalb von zehn Jahren” erfolgten.
Mit notariellem Vertrag vom 31. Dezember 1998 übertrug der Kläger und dessen Ehefrau ihrem Sohn unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein Grundstück mit aufstehendem Doppelhaus in X mit einem gesondert festgestellten Gesamtwert von 194.802 € und damit einer Zuwendung des Vaters und der Mutter des Erwerbers in Höhe von jeweils 97.401 € (190.500 DM). Eine Schenkungssteuer war wegen des zu berücksichtigenden Freibetrages nicht festzusetzen.
Mit notariellem Vertrag vom 29. Dezember 1999 übertrug der Kläger seinem Sohn unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein Grundstück mit aufstehenden Baulichkeiten in Y. Der gesondert festgestellte Wert des Grundstücks betrug 92.032 € (180.000 DM). Eine Schenkungssteuer war wegen des zu berücksichtigenden Freibetrages nicht festzusetzen.
In einem weiteren notariellen Vertrag vom 31. Dezember 2008 übertrug der Kläger seinem Sohn unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein mit einem Doppelhaus bebautes Grundstück in Z unter Nießbrauchsvorbehalt. Der Besitz ging am gleichen Tag über. Der Kläger sagte die Übernahme der ggf. entstehenden Schenkungssteuer zu. Der gesondert festgestellte Wert jeder Doppelhaushälfte und des dazugehörigen Grundstücksanteils betrug jeweils 97.000 € (zusammen 194.000 €).
Das FA setzte mit Bescheid vom 19. Dezember 2010 die Schenkungssteuer auf 20.889 € fest, wovon wegen des Nießbrauchsvorbehalts 11.990 € gestundet wurden. Das FA berücksichtigte dabei die beiden Schenkungen vom 31. Dezember 1998 und 29. Dezember 1999 als Vorerwerbe. Gegen die Einbeziehung auch der ersten Schenkung richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage.
Der Kläger ist der Ansicht, eine Zusammenrechnung mit der ersten Schenkung sei rechtlich ausgeschlossen. Vom Zeitpunkt der letzten Schenkung aus betrachtet (31. Dezember 2008) liege die erste Schenkung (31. Dezember 1998) nicht mehr „innerhalb von zehn Jahren”. Diese Ansicht werde in der Literatur überwiegend geteilt (Götz in Fischer/ Jüptner/ Pahlke/ Wachter, ErbStG, § 14 Rz. 15; Maier/ Ohletz in Wilms/ Jochum, ErbStG, § 14 Rz. 23 a.E.; Weinmann in Moench/ Weinmann, ErbStG, § 14 Rz. 6; Tiedtke/ Wälzholz in Tiedtke, ErbStG, § 14 Rz. 10; Högl in Gürsching/ Stenger, Bewertungsrecht - BewG - ErbstrG, § 14 ErbStG Rz. 25 und Jülicher in Troll/ Gebel/ Jülicher, ErbStG, § 14 Rz. 7).
Der Kläger beantragt,
den Erbschaftsteuerbescheid vom 9. Dezember 2010 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 11. März 2011 dahingehend zu ändern, dass die Schenkung vom 31. Dezember 1998 nicht als Vorerwerb berücksichtigt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, die Frist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG müssten entsprechend der Regelung in den §§ 187 Abs. 1, 188 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) berechnet werden. Daher falle bei einer Schenkung am 31. Dezember 2008 auch noch eine Vorschenkung am 31. Dezember 1998 in den 10-Jahres-Zeitraum.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Vorschenkung vom 31. Dezember 1998 ist gemäß §§ 9, 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für die Schenkung vom 31. Dezember 2008 nicht einzubeziehen gewesen.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG sind „mehrere innerhalb von zehn Jahren” anfallende Vermögensvorteile zusammenzurechnen. Das auslösende Ereignis ist dabei der aktuell der Erbschaft- oder Schenkungssteuer zu unterwerfende Erwerb (§§ 7, 9 ErbStG), da § 14 lediglich zusätzlich die Berücksichtigung „früherer Erwerbe” gesetzlich angeordnet ist. Die §§ 187 ff. BGB, die über § 108 der Abgabenordnung (AO) entsprechend anwendbar sind, beziehen sich ausdrücklich nur auf die sogenannte Vorwärtsberechnung von Fristen (Krause, NJW 1999, 1448; Götz in F/J/P/W, § 14 Rz. 14, der die Anwendbarkeit der §§ 187 ff. BGB als unklar bezeichnet; ähnlich Grothe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch [MüKo], § 187 Rz. 4, der eine analoge Anwendung bei Rückwärtsfristen annehmen will). Die Regelungen der §§ 187 ff. BGB sind vom Prinzip der Zivilkomputation, wonach ein Zeitraum nur nach ganzen Kalendertagen berechnet wird, geprägt und bilden damit den Gegensatz zur Naturalkomputation, die Zeiträume nach ihrer natürlichen Länge misst (vgl. dazu Grothe in MüKo, § 187 Rz. 1). Die Zivilkomputation führt ausnahmslos zu einer um Stunden und/...