Entscheidungsstichwort (Thema)
Bereitstellungsentgelte eines Speditionsunternehmens bei abgesagter Zwangsräumung des Gerichtsvollziehers
Leitsatz (redaktionell)
- Bereitstellungsentgelte, die ein Speditionsunternehmen erhält, wenn der zuständige Gerichtsvollzieher eine Zwangsräumung kurzfristig absagt, unterliegen mangels Leistungsaustauschs nicht der USt.
- Erbringt der Speditionsunternehmer für die Zahlung des Bereitstellungsentgelts keine Leistung, erfolgt kein Leistungsaustausch. Der Unternehmen erhält seine Vergütung nicht wegen einer Unterlassung, sondern trotz Wegfalls der Leistungsverpflichtung. Ein steuerbarer Leistungsaustausch ist daher nicht gegeben.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
Streitjahr(e)
1995, 1996, 1997, 1998, 1999
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die umsatzsteuerliche Behandlung von sog. Bereitstellungsentgelten bei Zwangsräumungen.
Die Klägerin betreibt ein Speditionsunternehmen in der Rechtsform einer GmbH. Sie führt u.a. im Auftrag von Gerichtsvollziehern Zwangsräumungen durch. Die Klägerin erhält hierfür – gestaffelt nach der Anzahl der zu räumenden Zimmer – ein Entgelt, das der Umsatzsteuer unterworfen wird. Für Zwangsräumungen, die innerhalb von 4 Tagen vor dem Räumungstermin vom zuständigen Gerichtsvollzieher abgesagt werden, erhält die Klägerin 30% der für eine tatsächlich durchgeführte Räumung vereinbarten Pauschale. Vorbereitungshandlungen erbringt die Klägerin bis zum Kündigungstermin nicht.
Die Klägerin hat diese Entgelte nicht der Umsatzsteuer unterworfen.
Im Rahmen einer Außenprüfung für die Streitjahre vertrat der Beklagte (das Finanzamt – FA –) die Auffassung, dass auch die sog. Bereitstellungsentgelte der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Einspruch eingelegt, den das FA mit Einspruchsbescheid vom 7.1.2002 als unbegründet zurückgewiesen hat.
Zur Begründung hat das FA ausgeführt, dass die Klägerin auch bei einer Stornierung vor der Räumung zumindest Organisationsleistungen erbracht habe, für die dann das Bereitstellungsentgelt berechnet werde und vergütet werde. Die Zahlung des Entgelts für die Bereitstellung beruhe nicht – wie beim Schadenersatz – auf einem vom ursprünglichen Rechtsgrund losgelösten eigenen Rechtsgrund, sondern stelle ein Entgelt für eine bereits erbrachte Vertragsleistung dar.
Gegen diese Entscheidung des FA richtet sich die Klage. Zur Begründung führt die Klägerin aus, das sog. Bereitstellungsentgelt sei nicht steuerbar, da es an einem Leistungsaustausch fehle. Bei dem Vertrag über die Beförderung von Umzugsgut handele es sich um einen Frachtvertrag, auf den hinsichtlich des vom Auftraggeber zu zahlenden Entgelts die Regelungen des „Güterkraftverkehrstarif für den Umzugsverkehr...” (GüKUMT) anwendbar seien. Daneben seien auch die Vorschriften aus dem Werkvertragsrecht des BGB heranzuziehen. Nach § 649 BGB stehe es dem Auftraggeber – hier also dem jeweiligen Gerichtsvollzieher – zu, den Werkvertrag bis zu seiner Vollendung jederzeit zu kündigen. Der Auftragnehmer – im vorliegenden Fall also die Klägerin – sei dann berechtigt, vom Auftraggeber die vereinbarte Vergütung unter Anrechnung ersparter Aufwendungen zu verlangen. Bei einer Kündigung des Vertrags werde also letztlich nur der entgangene Gewinn ersetzt.
Diese Auffassung werde auch vom Bundesgerichtshof (BGH) in ständiger Rechtsprechung geteilt. Insgesamt fehle es an einem Leistungsaustausch.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer 1995 auf 39.054 EUR, 1996 auf 41.716 EUR, 1997 auf 37.642 EUR, 1998 auf 47.962 EUR und 1999 auf 41.624 EUR herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA verweist zur Begründung auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid vom 7.1.2002.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 1995 bis 1999 sind rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten.
Zu Unrecht hat das beklagte FA die sog. Bereitstellungsentgelte der Umsatzsteuer unterworfen.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen neben Lieferungen auch sonstige Leistungen, wenn sie gegen Entgelt erbracht werden, der Umsatzsteuer. Dies ist der Fall, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden (EuGH-Urt. v. 21.3.2202, UR 2002, 320 Kennemer Golf & Country Club).
Grundlage für diesen Leistungsaustausch ist also ein Kausalzusammenhang, eine innere Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung (Zeuner, in Bunjes/Geist, UStG, § 1 Rz. 14 m.w.N.). Der Leistende muss seine Leistung erkennbar um einer Gegenleistung willen erbringen. Dabei ist nach der Auslegung des EuGH zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang erforderlich. Die gezahlten Beträge müssen also die tatsächliche Gegenleistung für eine bestimmbare Leistung darstellen, die im Rahmen eines Rechtsverhältnisses, in dem gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, erbracht wird (...