Entscheidungsstichwort (Thema)
Abrechnungsbescheid und unwirksamer Steuerbescheid gegen gelöschte GmbH
Leitsatz (redaktionell)
- Für steuerliche Zwecke wird eine Körperschaft (hier: GmbH) als fortbestehend betrachtet, wenn noch steuerliche Pflichten zu erfüllen sind. Aktive oder passive Verfahrenshandlungen – wie die Entgegennahme eines Steuerbescheids – kann die GmbH nicht mehr vornehmen.
- Soll nach Löschung der Körperschaft noch eine Verfahrenshandlung vorgenommen werden, muss zuvor ein Nachtragsliquidator als gesetzlicher Vertreter bestellt werden.
- Der in der fehlerhaften Bekanntgabe eines Steuerbescheids liegende Mangel, der die Unwirksamkeit des Bescheides bewirkt, kann durch fehlerfreie Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geheilt werden mit der Folge, dass der ursprüngliche - unwirksame – Verwaltungsakt in Gestalt der wirksamen Einspruchsentscheidung auf seine Rechtmäßigkeit überprüft werden kann. Die Frage, ob und in welche Höhe Steuer verkürzt ist, beantwortet sich nach dem Vergleich der tatsächlich festgesetzten und materiell-rechtlich zutreffenden Steuer.
- Gem. § 370 Abs. 4 Satz 3 AO kann bei nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzter Steuer eine Steuerverkürzung auch dann angenommen werden, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt werden können (sog. Kompensationsverbot).
Normenkette
AO § 218; FGO § 57 Nr. 2, § 58 Abs. 2
Streitjahr(e)
1987
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheids wegen Eintritts der Zahlungsverjährung.
Die Klägerin betrieb ursprünglich einen Z-Betrieb. Mitgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer war AX. Seit etwa 1977 nahm die Klägerin nicht mehr am wirtschaftlichen Verkehr teil. Mit Beschluss vom 22. März 1977 lehnte das Amtsgericht…den Antrag der Klägerin auf Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Konkursmasse ab.
Die Klägerin führte seit 1974 einen Schadensersatzprozess gegen V. Das Landgericht…sprach der Klägerin mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 10. April 1987 einen Schadensersatzanspruch nebst Zinsen i.H.v. 1.520.529,33 DM zu.
Mit Bescheid vom 12. Juni 1989 setzte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) Körperschaftsteuer für 1987 in Höhe von 506.178 DM fest, fällig lt. beigefügter Zahlungsaufforderung am 17. Juli 1989. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Die Steuern sind mangels finanzieller Mittel der Klägerin nicht gezahlt worden. Vollstreckungsmaßnahmen sind zunächst nicht unternommen worden. Die Klägerin wurde nach Beendigung der Liquidation am 11. Dezember 1989 im Handelsregister gelöscht.
Unter dem 30. März 1994 erließ das FA einen geänderten Steuerbescheid und setzte die Körperschaftsteuer für 1987 auf 598.483 DM herauf. Die Steuererhöhung in Höhe von 92.305 DM war lt. beigefügter Zahlungsaufforderung am 2. Mai 1994 fällig. Zugleich forderte das FA die Klägerin zur sofortigen Zahlung des rückständigen Steuerbetrags auf. Der Bescheid war adressiert an „Herrn AX als Liquidator, ...Straße, ...Ort” als Empfangsbevollmächtigter für „Firma AX GmbH i.L. GmbH, ...Straße, ...Ort”. AX legte für die Klägerin Einspruch ein und machte die Unwirksamkeit des Bescheids wegen Handlungsunfähigkeit der Klägerin geltend.
Am 21. Juni 1995 ordnete das Amtsgericht…die Nachtragsliquidation an und bestellte AX zum Nachtragsliquidator; am 5. Juli 1995 erfolgte die Eintragung im Handelsregister.
Mit „Einspruchsbescheid” vom 25. August 1995 setzte das FA die Körperschaftsteuer von 598.483 DM auf 799.040 DM herauf. Ein ausdrückliches Leistungsgebot enthielt dieser Bescheid nicht.
Die Wirksamkeit bzw. Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 30. März 1994 und 25. August 1995 war bzw. ist Gegenstand des Klageverfahrens 6 K 385/95 (Anm.: ebenfalls veröffentlicht). Inzwischen gehen die Beteiligten übereinstimmend von der Unwirksamkeit des Bescheides vom 30. März 1994 aus und haben zu Protokoll des Gerichts am 10. November 2004 das Klageverfahren 6 K 385/95 hinsichtlich dieses Bescheids für in der Hauptsache erledigt erklärt. Mit Urteil vom selben Tage hat das Gericht den Bescheid vom 25. August 1995 für rechtswidrig erkannt und aufgehoben. Für die Einzelheiten wird auf das Urteil im Klageverfahren 6 K 385/95 vom selben Tage verwiesen.
Zur Erhebung der Körperschaftsteuer 1987 nahm das FA neben den Aufforderungen zur Zahlung in den Bescheiden vom 12. Juni 1989 und 30. März 1994 - soweit hier interessierend bis zum 17. Juli 1998 – verschiedene Handlungen vor, die von der Art der Maßnahme her geeignet waren, die Zahlungsverjährung zu unterbrechen bzw. die Tilgung der Steuerschulden herbeizuführen.
Unstreitig ergingen am 1. August 1989 eine Mahnung über den rückständigen Betrag von 506.178 DM und am 31. Mai 1994 eine Mahnung über rückständige 92.305 DM.
Unter dem 8. September 1994 ersuchte das FA das FA…mit der Vollstreckung gegen die Vollstreckungsschuldnerin „AX GmbH” wegen Körperschafts...