vorläufig nicht rechtskräftig
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [III R 3/05)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlöschen des Kindergeldanspruchs durch Erfüllung des Erstattungsanspruchs des Sozialhilfeträgers
Leitsatz (redaktionell)
- Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, so ist gemäß § 104 Abs. 1 SGB X der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat.
- Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre.
- Soweit das Kindergeld der Förderung der Familie dient, ist es gegenüber der Hilfe zum Lebensunterhalt als vorrangige Leistung i. S. des § 104 SGB X anzusehen.
- Erfüllt die Familienkasse mit der Auszahlung des Kindergeldes an den Sozialhilfeträger dessen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X, so gilt der Kindergeldanspruch des Kindesvaters gemäß § 107 SGB X als erfüllt.
Normenkette
EStG § 74; SGB X §§ 104, 107
Streitjahr(e)
1998, 1999, 2000, 2001
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob mit der Auszahlung des Kindergeldes an den Sozialhilfeträger der Anspruch des Klägers erloschen ist.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 24.01.2001 zugunsten des Kindergeldberechtigten rückwirkend Kindergeld für das behinderte Kind M, geb. 31.10.1964, in Höhe von 8490 DM (4.340,87 Euro) fest. Ab Februar 2001 wurde das Kindergeld fortlaufend gewährt. Zugleich entschied die Beklagte, dass das rückwirkend festgesetzte Kindergeld an die Stadt O aufgrund des geltend gemachten Erstattungsanspruchs gegenüber dem Kläger gemäß § 74 Abs. 3 EStG i.V.m.. § 107 SGB X als erfüllt gilt. Das Kindergeld in Höhe von 4.340,87 Euro überwies die Beklagte dementsprechend an den Sozialhilfeträger, die Stadt O, da diese für den entsprechenden Zeitraum ohne Anrechnung von Kindergeld Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt und einen entsprechenden Erstattungsanspruch geltend gemacht hatte. Den Einspruch gegen den Abrechnungsbescheid wies die Beklagte mit Bescheid vom 19.02.2002 als unbegründet zurück.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Abrechnungsbescheides vom 24.01.2001. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Voraussetzungen für eine Erstattung an den Sozialhilfeträger lägen nicht vor. Der Kläger habe gegenüber seiner Tochter stets seine Unterhaltspflicht erfüllt. Aus den Verwaltungsvorgängen könne nicht entnommen werden, dass dem Kläger seitens des Sozialhilfeträgers eine Verletzung seiner Unterhaltspflicht vorgeworfen worden sei oder er einen gemäß § 91 BSHG übergeleiteten Unterhaltsanspruch geschuldet habe. Da die Tochter im Juni 1997 aus der Wohnung des Klägers ausgezogen sei, bestehe auch keine Einsatz- und Einkommensgemeinschaft nach § 11 BSHG. Kindergeldleistungen seien schließlich nur dann auf Sozialhilfeansprüche von Sozialhilfeempfängern gem. § 76 BSHG einkommensmindernd anzurechnen, wenn diese einem Sozialhilfeempfänger zu seiner Bedarfsdeckung zur Verfügung stünden. Dies sei hier nicht der Fall.
Im Übrigen setze die Fähigkeit eines behinderten Kindes zum Selbstunterhalt die Berücksichtigung eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs voraus. Erfolge kein Einzelnachweis, seien Pauschbeträge zu berücksichtigen. Dieser berechnete Bedarf sei den Zahlungen des Sozialhilfeträgers gegenüber zu stellen. Die verbleibende Versorgungslücke sei durch den Kläger als Unterhalt zu leisten. Demzufolge stehe ihm auch das Kindergeld zu. Mit der Aufforderung an den Kläger, die Unterhaltsleistungen nachzuweisen, verstoße das Gericht gegen die Beweislastverteilung gemäß § 91 BSHG.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 24.01.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.02.2002 in Bezug auf die Erstattungsentscheidung zugunsten des Sozialhilfeträgers aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Kindergeld für den Zeitraum April 1998 bis Januar 2001 in Höhe von 4.340,87 Euro auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Stadt O habe als Sozialhilfeträger aufgrund der Zahlung von Hilfe zum Lebensunterhalt für die Tochter einen Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 3 EStG geltend gemacht. Diesen Anspruch habe die Beklagte erfüllt, da der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass er seiner Tochter Unterhalt gewährt habe.
Der Kläger ist der mehrfachen Aufforderung des Gerichts, die Unterhaltsleistungen für den streitigen Zeitraum nachzuweisen, nicht nachgekommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist rechtmäßig, da der Kindergeldanspruch des Klägers durch Erstattung an den Sozialleistungsträger erloschen ist.
1. Nach § 74 Abs. 3 EStG 2001 (nunmehr: § 74 Abs. 2 EStG) gelten für die Erstattungsansprüche der Träger von Sozialleistungen gegen die Familienkasse die §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 SGB X entspreche...