Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Bindungswirkungen einer zwischen Steuerpflichtigem und Finanzamt mündlich geschlossenen Vereinbarung über einen quotalen Teilerlass
Leitsatz (redaktionell)
- Die Entscheidung über einen Erlass ist eine Ermessensentscheidung der Behörde und unterliegt nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle.
- Zu den Voraussetzungen eines Erlasses von Abgabenrückständen aus persönlichen Gründen.
- Mündlich geschlossene Vereinbarungen zwischen Stpfl. und FA über einen quotalen Teilerlass wären nichtig, wenn das FA sich zu einem Teilerlass verpflichtet hätte, ohne im Rahmen einer Gesamtwürdigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Stpfl. eines sachgerechte Ermessensentscheidung zu treffen.
Normenkette
AO § 227
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Beklagte aufgrund einer zwischen dem Sachgebietsleiter seiner Vollstreckungsstelle, Herrn Steueroberamtsrat M, und ihm in Begleitung seines Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt N am xxx Juli 2006 anlässlich einer Besprechung an Amts Stelle getroffenen mündlichen Vereinbarung verpflichtet ist, einen quotalen Teilerlass von Abgabenschulden, die aus Steuernachforderungen nach einer bei ihm durchgeführten Außenprüfung resultieren, nach § 227 Abgabenordnung (AO) auszusprechen.
Der Kläger betreibt einen Pizza-Bringdienst. Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts B wurde er wegen Hinterziehung von Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer 1993 bis 1996, Umsatzsteuer 1997 sowie Lohnsteuer für den Zeitraum von Mai 1994 bis Dezember 1995 zu einer Gesamt-Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt. Im September 2007 summierten sich seine Abgabenrückstände auf etwa 1.08 Mio. €, von denen etwa 500.000 € auf rückständige Steuerschulden (Lohn-, Einkommen- Umsatzsteuer und Solidaritätszuschläge) der Jahre 1990 bis 1997 entfielen. Diese Steuerschulden basierten auf den Ergebnissen einer Außenprüfung, deren Ergebnisse zu der Verurteilung des Klägers geführt hatten.
Am xxx Juli 2005 suchte der Kläger die zuständige Sachbearbeiterin der Vollstreckungsstelle des Beklagten B auf, um mit ihr die Möglichkeiten durchzusprechen, wie eine vom Beklagten angestrengt Zwangsversteigerung seines Grundstücks in S abgewendet werden könnte. B legte dem Kläger nahe, einen Bankkredit aufzunehmen.
Mit Schreiben vom xxx September 2005 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers dem Beklagten mit, sein Mandant strebe eine einvernehmliche Lösung seines Schuldenproblems mit seinen diversen Gläubigern, dem Beklagten, der Stadt S und der B-Ersatzkasse im Rahmen eines außergerichtlichen Einigungsversuchs nach der Insolvenzordnung (InsO) an. Seine Gesamtverbindlichkeiten beliefen sich auf etwa 1,365 Mio. € zuzüglich laufender Zinsen. Unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse biete er die Zahlung eines Einmalbetrages in Höhe von 215.000 € zuzüglich weiterer 55.000 € an, die nach dem Verhältnis der bestehenden Verbindlichkeiten unter den drei Gläubigern verteilt werden sollten. Um Rückantwort bis zum xxx Oktober 2005 werde gebeten. Der Beklagte lehnte den Vorschlag des Klägers mit Schreiben vom xxx September 2005 ab.
Mit Schreiben vom xxx Oktober 2005 kündigte der Kläger gegenüber seinen Gläubigern an, ein verbessertes Angebot vorlegen zu wollen. Am xxx März 2006 unterbreitete der Kläger den Gläubigern das Angebot zur Zahlung eines Einmalbetrages in Höhe von 200.000 €. Am xxx März 2006 teilte der Beklagte dem Kläger mit, eine eventuelle Einmalzahlung und der Erlass sämtlicher restlicher Steuerrückstände könne im Moment nicht geprüft werden, weil noch Unterlagen beizubringen seien, nämlich das vom Kläger angesprochene Verkehrswertgutachten seines Grundstücks, die Beleihungswertberechnung und eine Bestätigung einer Auszahlung von 200.000 € durch die X-Bank sowie der Nachweis einer positiven Zustimmung der B-Ersatzkasse. Der Kläger antwortete mit Schreiben vom xxx Juni 2006, dass der Gutachter nach Auskunft des Amtsgerichts S den Verkehrswert seines Grundstücks auf 293.000 € geschätzt habe. Er habe bei der X-Bank angefragt, ob seinen Gläubigern eine höhere Summe geboten werden könne. Eine Rückantwort stehe aber noch aus.
Am xxx Juli 2006 fand eine Unterredung in den Amtsräumen des Beklagten statt, an der neben dem Kläger sein Prozessbevollmächtigter, für den Beklagten M und B teilnahmen. Nach dem von B am selben Tag gefertigten Gesprächsvermerk wurden dabei folgende Punkte erörtert:
Zunächst wurde die Vermögenssituation des Klägers besprochen. Die X-Bank habe gegen den Kläger Forderungen von etwa 80.000 €, die durch eine Grundschuld auf seinem Grundstück gesichert seien. Dessen Wert betrage 293.000 €; die X-Bank würde 200.000 € für alle Gläubiger des Klägers freigeben. Es existiere weiterhin ein vom Beklagten gepfändetes Sparbuch über 30.000 €. Von den 200.000 € könne der Beklagte 144.000 € erhalten. Der monatliche Gewinn des Klägers aus seinem Unternehmen betrage ...