Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Ablaufhemmung wegen des Erstattungsanspruchs eines anderen Steuerpflichtigen nach § 171 Abs. 14 AO
Leitsatz (redaktionell)
In sog. Bauträgerfällen nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG bewirkt die Erstattungsforderung des Leistungsempfängers keine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 14 AO hinsichtlich der Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für den Leistenden.
Normenkette
AO 1977 § 171 Abs. 14; UStG § 13b Abs. 2 Nr. 4, § 27 Abs. 19
Streitjahr(e)
2009
Nachgehend
Tatbestand
Streitig sind die Nichtigkeit des angefochtenen Bescheids und die Frage, ob dessen Erlass der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegenstand.
Die Klägerin erbrachte im Jahre 2009 eine Bauleistung an ein Bauträgerunternehmen. Die Vertragspartner gingen entsprechend der damaligen Verwaltungsauffassung davon aus, dass die Leistungsempfängerin die Umsatzsteuer nach § 13b UStG schulde. Aus diesem Grunde wies die Klägerin in der Rechnung vom 19. August 2009 keine Umsatzsteuer aus. Dementsprechend war dieser Umsatz in dem Zahlenwerk, welches der 2010 beim Beklagten eingereichten Umsatzsteuererklärung 2009 zugrunde lag, nicht enthalten. Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung 2009 zu, so dass die Erklärung nach § 168 Abgabenordnung (AO) einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand.
Im Anschluss an das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22. August 2013 V R 37/10, BStBl. II 2014, 128, beantragte die Leistungsempfängerin im Dezember 2014 die Erstattung der seinerzeit als Steuerschuldnerin gezahlten Umsatzsteuer.
2015 forderte der Beklagte die Klägerin auf, eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 2009 einzureichen. Auf die Möglichkeit, den zivilrechtlichen Zahlungsanspruch gegen den Leistungsempfänger an das Land Niedersachsen abzutreten, wies der Beklagte die Klägerin hin.
Demgegenüber vertrat die Klägerin die Auffassung, dass Festsetzungsverjährung eingetreten sei und der Umsatzsteuerbescheid 2009 nicht mehr geändert werden könne.
Mit gem. § 164 Abs. 2 AO geändertem Umsatzsteuerbescheid 2009 erhöhte der Beklagte im Jahr 2018 die Umsätze zum Regelsteuersatz um das Nettoentgelt für die Bauleistung.
Den hiergegen gerichteten Einspruch der Klägerin wies der Beklagte als unbegründet zurück. Das Landesamt für Steuern Niedersachsen hatte den Beklagten gebeten, in sog. “Bauträger-Fällen” wie dem Streitfall die Auffassung zu vertreten, dass § 171 Abs. 14 AO auf Fälle dieser Art anwendbar sei. Dies entspreche der mehrheitlichen Auffassung der AO-Referatsleiter der Finanzverwaltungen der Länder.
Gegen den angefochtenen Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung richtet sich die Klage, mit der die Klägerin zunächst lediglich die Aufhebung des angefochtenen Bescheids in der Gestalt der Einspruchsentscheidung begehrte. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, der angefochtene Bescheid sei erst nach Eintritt der Festsetzungsverjährung erlassen worden und daher rechtswidrig. § 171 Abs. 14 AO sei nicht einschlägig, weil der Erstattungsanspruch der Leistungsempfängerin nicht im Sinne dieser Vorschrift mit dem Steueranspruch des Beklagten gegen die Klägerin zusammenhänge. Insoweit stelle sich der Beklagte sogar gegen AEAO zu § 171, Nr. 8. Auch die Vorschrift des § 27 Abs. 19 UStG führe zu keiner anderen Beurteilung.
In der mündlichen Verhandlung am 19. November 2019 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darüber hinaus erstmals geltend gemacht, der angefochtene Bescheid sei nicht nur rechtswidrig, sondern sogar nichtig. Die Subsumtion des im Streit stehenden Sachverhalts unter § 171 Abs. 14 AO sei – was dem Beklagten selbst bekannt sei – so vollkommen abwegig, dass allein unklar bleibe, ob der Beklagte diese aus eigenem Antrieb oder aufgrund einer entsprechenden Anweisung durch eine übergeordnete Behörde vorgenommen und der Besteuerung zugrunde gelegt habe.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass der Umsatzsteuerbescheid für 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung nichtig ist;
hilfsweise, den Umsatzsteuerbescheid für 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält daran fest, dass der Erlass des angefochtenen Änderungsbescheids umsatzsteuerrechtlich geboten und verfahrensrechtlich zulässig sei. § 27 Abs. 19 UStG schreibe im Streitfall die Korrektur der Umsatzsteuerfestsetzung vor. Der Tatbestand der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 14 AO sei im Streitfall verwirklicht.
Der Beklagte verweist darauf, dass das Landgericht Köln mit Urteil vom 12. Dezember 2017 7 O 14/17 entschieden hat, dass eine personelle Identität zwischen dem Adressaten der Steuerfestsetzung und dem Inhaber des Erstattungsanspruchs nicht bestehen muss, damit der Tatbestand des § 171 Abs. 14 AO verwirklicht werden kann.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im Hauptantrag unbegründet, im Hilfsantrag hingegen begründet.
1. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid für 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist nicht nichtig.
a) N...