Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Wirksamkeit einer strafbefreienden Erklärung nach dem StraBEG bei Nichtabgabe der Steuererklärung für 2002
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 StraBEG.
- Die mit der Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung ist aufzuheben oder zu ändern, soweit nach dem StraBEG keine Straf- oder Bußgeldfreiheit eintritt.
- Der Gesetzgeber hat mit § 1 Abs. 7 StraBEG eine Amnestie für Steuerhinterziehungen nach dem 17.10.2003 ausgeschlossen.
- Für die Frage, ob eine Tat i. S. des § 1 Abs. 1 StraBEG vor dem 18.10.2003 begangen worden ist oder nicht, ist darauf abzustellen, ob bereits zu diesem Zeitpunkt Steuern verkürzt worden sind, d. h. die Tat vollendet ist.
- Eine vollendete Verkürzung einer Veranlagungssteuer tritt bei Nichtabgabe einer Steuererklärung erst ein, nachdem die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk zu dem maßgeblichen Zeitraum allgemein abgeschlossen sind. Erst dann ist die rechtzeitige Festsetzung der Steuer vereitelt.
Normenkette
StraBEG § 1; AO § 370
Streitjahr(e)
2002
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob für den Veranlagungszeitraum 2002 eine strafbefreiende Erklärung nach dem Gesetz über die strafbefreiende Erklärung (Strafbefreiungserklärungsgesetz – StraBEG) wirksam ist.
Der Kläger, der im Bereich des Beklagten (Finanzamt – FA –) seinen Wohnsitz hat, war seit dem …. 1998 als Ingenieur selbständig tätig. Für die Veranlagungszeiträume 1998 bis 2002 reichte er weder Einkommensteuer- noch Umsatzsteuererklärungen beim FA ein.
Am 30. Dezember 2004, nachdem die Veranlagungsarbeiten 2002 beim FA am 1. November 2004 im Wesentlichen abgeschlossen waren, ging eine strafbefreiende Erklärung des Klägers nach dem StraBEG vom 23. Dezember 2003 beim FA ein. Hierin erklärte der Kläger Einnahmen für die Jahre 1998 bis 2002 gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 StraBEG (§ 18 Einkommensteuergesetz – EStG –) und gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 1 StraBEG (§ 18 Umsatzsteuergesetz – UStG –). Für das hier streitige Jahr 2002 erklärte er Einnahmen gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 StraBEG in Höhe von XXXXX €, gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 1 StraBEG in Höhe von XXXXX €. Den Betrag nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StraBEG entrichtete er am 30. Dezember 2004.
Das FA hielt die strafbefreiende Erklärung für das Jahr 2002 für nicht wirksam abgegeben. Der Einspruch gegen den Bescheid vom 21. Januar 2005, mit dem das FA die strafbefreiende Erklärung für das Jahr 2002 als nicht wirksam abgegeben ablehnte, blieb erfolglos. Zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung führte das FA im Wesentlichen aus, die strafbefreiende Erklärung für das Streitjahr 2002 habe der Kläger nicht wirksam abgeben können, weil die Tat i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG erst nach dem 17. Oktober 2003 begangen worden sei (§ 1 Abs. 7 StraBEG). In der verspäteten Abgabe einer Steuererklärung liege nur dann eine vollendete Verkürzung einer Veranlagungssteuer, wenn die verspätete Abgabe die verspätete Festsetzung der Steuer verursache. Eine vollendete Steuerhinterziehung liege erst dann vor, wenn die Festsetzung erfolgt, nachdem die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk für den maßgeblichen Zeitraum allgemein abgeschlossen seien. Im Bezirk des FA xxxxx seien die Veranlagungsarbeiten 2002 erst am 1. November 2004, mithin nach dem 17. Oktober 2003 abgeschlossen. Eine Steuerstraftat durch Nichtabgabe der Steuererklärungen habe deshalb bis zum 17. Oktober 2003 nicht begangen werden können.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Der Kläger ist der Auffassung, er habe auch für das Jahr 2002 eine wirksame strafbefreiende Erklärung abgegeben. Er habe sich gegen Ende des Kalenderjahres 2004 entschlossen, unter Beachtung des Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit sein bisheriges steuerliches Fehlverhalten zu korrigieren. Unter Einschaltung eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe sei die steuerliche Vergangenheit aufbereitet und für die Besteuerungszeiträume 1998 bis 2002 die strafbefreiende Erklärung abgeben sowie die pauschalen Steuern entrichtet worden.
Die Strafbefreiung nach dem StraBEG erstrecke sich auf alle Taten i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG, die sich auf nach dem 31. Dezember 1992 und vor dem 1. Januar 2003 entstandene Ansprüche auf Einkommen- und Umsatzsteuer beziehen. Bis zum Dezember 2004 sei er steuerlich nicht von einem Vertreter der steuerberatenden Berufe vertreten gewesen. Ihn hätten die Aussagen des seinerzeitig amtierenden Bundeskanzlers sowie die Zielsetzung des Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit überzeugt. Der Gesetzgeber habe verhindern wollen, dass eine „bestimmte Gruppe von Steuerbürgern” noch nach Kenntnis der bevorstehenden Sonderregelung eine Hinterziehung begehe, um in den Genuss der Amnestie zu gelangen. Die Tat sei zu der Zeit begangen, zu der der Täter gehandelt habe oder im Fall des Unterlassens hätte handeln müssen. Maßgeblich sei im Streitfall der Ablauf d...