Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 66 Abs. 3 EStG stellt eine Regelung des Festsetzungsverfahrens dar
Leitsatz (redaktionell)
Die Regelung zur Nachzahlung im Kindergeldbescheid stellt einen Abrechnungsbescheid i.S.d. § 218 Abs. 2 AO dar.
§ 66 Abs. 3 EStG bildet keine Grundlage dafür, einem Kindergeldberechtigten die Zahlung bestandskräftig festgesetzter Kindergeldansprüche zu verweigern, wenn § 66 Abs. 3 EStG nicht bereits im Festsetzungsverfahren berücksichtigt worden ist.
Normenkette
AO 1977 § 218 Abs. 2; EStG § 66 Abs. 3
Streitjahr(e)
2014, 2015, 2016, 2017, 2018
Tatbestand
Der Kläger ist Vater des Kindes M, geboren am xx. xxx 1993. Er begehrt mit seiner Klage die Festsetzung von Kindergeld für seinen Sohn M von April 2015 bis Januar 2018 sowie die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld für den Zeitraum Januar 2014 bis Januar 2018.
Mit Bescheid vom 10. Dezember 2013 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für M ab Januar 2014 auf.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2017, eingegangen bei der Beklagten am 4. Januar 2018, beantragte der Kläger formlos die zeitnahe Fort-/Nachzahlung des vor vielen Jahren bereits beantragten Kindergelds rückwirkend zum Januar 2014. Diesem Schreiben war eine Erklärung zum Ausbildungsverhältnis von M beigefügt. In dieser Erklärung gab er an, dass M ab 1. Januar 2014 eine Ausbildung zum Feldwebel gemacht habe und der letzte Prüfungstag der Ausbildung der 8. Dezember 2017 gewesen sei. Zudem legte der Kläger weitere Unterlagen zum Ausbildungsverhältnis von M vor.
Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 9. Januar 2018 den Kläger zur Vorlage weiterer Unterlagen aufgefordert hatte, reichte der Kläger mit Schreiben vom 11. Januar 2018 einen Antrag auf Kindergeld, eine Anlage Kind für M und eine Erklärung zu den Verhältnissen eines über 18 Jahre alten Kindes ab Januar 2014 ein. Zusätzlich wies der Kläger darauf hin, dass sich die Bestätigung der Bundeswehr über die Ausbildung von M zur Bearbeitung in…befinde und nächste Woche vorliegen solle.
Im Folgenden legte der Kläger auch eine vom 18. Januar 2018 datierte Bescheinigung über die Ausbildung eines Soldaten bei der Bundeswehr für M vor. Aus dieser ergibt sich, dass die Ausbildung von M zum Unteroffizier (mit Portepee) vom 13. Januar 2015 bis zum 25. März 2015 dauerte.
Mit Bescheid vom 21. Februar 2018 setzte die Beklagte für M von Januar 2014 bis einschließlich März 2015 Kindergeld fest, da sich M in einer kindergeldrechtlich zu berücksichtigen Ausbildung bei der Bundeswehr befunden habe. Die Beklagte wies darauf hin, dass die Ernennung zum Unteroffizier am 25. März 2015 erfolgt sei. Zudem enthielt der Bescheid unter der Überschrift „Nachzahlung“ einen Hinweis, dass auf Grund der gesetzlichen Änderung nach § 66 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes – EStG – Anträge, die nach dem 31. Dezember 2017 eingehen, rückwirkend nur noch zu einer Nachzahlung für die letzten sechs Kalendermonate vor dem Eingang des Antrages bei der Familienkasse führen können.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 14. März 2018 Einspruch ein. Eine Begründung des Einspruchs erfolgte trotz Aufforderung durch die Beklagte mit Schreiben vom 23. März 2018 mit Fristsetzung bis zum 9. April 2018 nicht.
Am 16. April 2018 erließ die Beklagte die Einspruchsentscheidung und wies den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies sie erneut auf § 66 Abs. 3 EStG und die erst am 11. Januar 2018 erfolgte Antragstellung.
Hiergegen richtet sich die Klage vom 22. Mai 2018, welche der Kläger ausdrücklich wegen Kindergeldes von Januar 2014 bis März 2015 für M – Einspruchsentscheidung 16. April 2018 erhob.
In der Klagebegründung äußert der Kläger Zweifel daran, ob das Gesetzgebungsverfahren hinsichtlich § 66 Abs. 3 EStG formell ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Er weist ferner darauf hin, dass nach der gesetzgeberischen Konzeption durch die Neuregelung verhindert werden solle, dass für einen mehrjährigen Zeitraum in der Vergangenheit rückwirkend Kindergeld ausgezahlt werden könne. Ziel sei es gewesen, einen Missbrauch der gesetzlichen Regelung einzuschränken. Im vorliegenden Fall sei jedoch gerade kein Missbrauch erkennbar, weshalb § 66 Abs. 3 EStG hier einschränkend auszulegen sei und im Rahmen der Regelungen zur Festsetzungsverjährung Kindergeld nicht nur festgesetzt werden müsse, sondern auch auszuzahlen sei. Die Festsetzung und anschließende Nichtauszahlung von Kindergeld führe im außersteuerlichen Bereich zu einer Ungleichbehandlung des Steuerpflichtigen (Kindergeldbeziehers) gegenüber einem Steuerpflichtigen, welcher das festgesetzte Kindergeld auch ausgezahlt bekommen hat. Für eine derartige Differenzierung gäbe es keine sachlichen Gründe. Auch sei es durch die Bestimmung des § 66 Abs. 3 EStG gerade nicht zu einer Vereinfachung oder Pauschalierung gekommen. Bei der Gesetzesänderung zum 19. Juli 2019 handele es sich auch gerade nicht um eine bloße Bestätigung der Verwaltungsauffassung, da es der Gesetzesänderung gerade nicht bedurft hätte, wenn die Verwaltung...