Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung Vermietungs-Beförderungsleistung bei Überlassung von Draisinen
Leitsatz (redaktionell)
- Befördern beinhaltet die räumliche Fortbewegung von Personen oder Gegenständen, unabhängig aus welchem Grund sie erfolgt.
- Eine Beförderungsleistung kann auch vorliegen, wenn sie aus Gründen der Freizeitgestaltung erfolgt.
- Die Überlassung von Draisinen an Gäste beinhaltet keine Beförderungsleistung, auch wenn für die Fahrt eine Begleitperson gestellt wird.
- Der Schwerpunkt der Leistung liegt in dem Überlassen des Beförderungsmittels, damit ist eine Vermietungsleistung gegeben.
Normenkette
UStG § 12 Abs. 1, 2 Nr. 10 Buchst. b
Streitjahr(e)
2006
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes von 7 % gem. § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b) UStG für von der Klägerin ausgerichteter Draisinenfahrten.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die im Jahre 2004 zur Förderung des Fremdenverkehrs im Erholungsgebiet H. gegründet wurde. Sie führte im Streitjahr 2006 Draisinenfahrten auf einer stillgelegten Bahnstrecke zwischen Q. und F. durch. Die Gesamtstrecke beträgt weniger als 50 Kilometer. Hieraus erzielte sie Umsätze in Höhe von 204.382,58 €. Die Fahrten werden mit verschiedenen Draisinenfahrzeugen durchgeführt, und zwar mit einer Handhebeldraisine, einer Fahrraddraisine und einer Clubdraisine. Zwischen Q. und N. können die Gäste mit einer Handhebeldraisine, zwischen N. und B. mit einer Fahrraddraisine und zwischen B. und F. mit einer Fahrraddraisine oder einer Clubdraisine fahren. Für die Nutzung der Fahrraddraisine erhalten die Fahrgäste von dem Personal der Klägerin eine Einweisung. In welchem Umfang die Fahrten mit den anderen Draisinen durch Personal der Klägerin begleitet wurden, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Im Rahmen ihrer Umsatzsteuererklärung unterwarf die Klägerin die Umsätze aus den Draisinenfahrten dem ermäßigten Steuersatz. Dem folgte das Finanzamt (FA) nach einer bei der Klägerin durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung nicht. Es vertrat in dem Umsatzsteuerbescheid vom 29.04.2010 die Auffassung, dass eine die dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Beförderung von Personen nicht vorliege, sondern die Klägerin mit den Fahrgästen ein Mietvertrag geschlossen hätte. Die Erlöse hieraus unterlägen dem vollen Steuersatz.
Hiergegen richtet sich nach erfolglos gebliebenen Vorverfahren die Klage, zu deren Begründung die Klägerin vorträgt:
Die Klägerin habe Beförderungsleistungen in Form eines Werkvertrages geschuldet. Nach der herrschenden Zivilrechtsprechung liege ein Mietvertrag nur vor, wenn der Leistungsempfänger den durch den Einsatz des zur Verfügung gestellten Beförderungsmittels beabsichtigten Leistungserfolg selbst herbeiführe und das von dem Unternehmer bereitgestellte Personal den Weisungen des Mieters zu folgen habe. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall nicht gegeben. Der Mitarbeiter der Klägerin, der die Draisinenfahrten begleite, habe auf eine ordnungsgemäße Fahrt der Draisine zu achten. Insbesondere müsse er die korrekte Weichenstellung und die Sicherung der Straßenübergänge gewährleisten. Insoweit unterliege er nicht den Weisungen der Fahrgäste.
Für eine Beförderungsleistung reiche es aus, dass die Klägerin eine Tätigkeit entfalte, die auf die Raumüberwindung von Personen oder Gütern gerichtet sei. Unerheblich sei, ob diese Beförderung im öffentlichen oder nichtöffentlichen Verkehrsraum erfolge. Eine Beförderungsleistung könne auch vorliegen, wenn mit der Fahrt kein wirtschaftlicher Zweck, sondern ein besonderes Erlebnis verbunden sei. Auch die Durchführung von Vergnügungsfahrten sei daher eine Beförderungsleistung. Dass auch touristisch veranlasste Beförderungsleistungen dem ermäßigten Steuersatz unterlägen, ergebe sich insbesondere aus dem Jahressteuergesetz 2008, mit dem die Begünstigung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 b UStG auf die Beförderung von Personen mit Bergbahnen ausgedehnt worden sei. Diese Regelung sei im Jahressteuergesetz 2008 ausdrücklich mit dem Hinweis eingeführt worden, dass die Besteuerung derartiger Leistungen mit dem vollen Umsatzsteuersatz zu einer erheblichen wirtschaftlichen Benachteiligung der inländischen Bergbahnen im Vergleich zu Betrieben im benachbarten Ausland führe.
Gegen eine Vermietung und für eine Beförderungsleistung spreche auch, dass sich die Klägerin zu einer Beförderung von Personen auf einer festgelegten Strecke zu vereinbarten Zeiten verpflichtet habe. Die Fahrtroute habe durch die Fahrgäste nicht frei gewählt werden können. Die zu befahrende Strecke und die Abfahrtszeiten seien von vornherein festgelegt worden.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 29.04.2010 und Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 29.07.2010 dahingehend zu ändern, dass weitere Umsätze in Höhe von 204.382,58 € mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern seien.
Der B...