Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen eines als Hygieneberater tätigen Arztes sind nicht umsatzsteuerbefreit
Leitsatz (redaktionell)
- Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 2005 setzt voraus, dass der Arzt tatsächlich eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder amtsarztähnliche Leistungen erbringt.
- Unter Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin fallen nur Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, der Diagnose, der Behandlung und – soweit möglich – der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen für bestimmte Patienten ausgeführt werden.
- Die bloße Beratung in Hygienefragen ist nicht steuerbefreit.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 14
Streitjahr(e)
2005, 2006, 2007
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger war seit dem 1. Mai 2005 als Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemie mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Krankenhaushygiene und Praxishygiene in Osnabrück selbständig tätig. Am 1. Juni 2005 schloss er mit der „Laborpraxis” Dr. X und Kollegen eine Kooperationsvereinbarung. Danach traf die Laborpraxis mit ihren Einsendern in eigenem Ermessen Vereinbarungen über hygienische Beratungsleistungen und konnte dabei den Kläger als „beratenden Krankenhaushygieniker” benennen (§ 2 der Vereinbarung). Nach § 1 der Vereinbarung beauftragt die Laborpraxis den Kläger mit der Durchführung von krankenhaus- und praxishygienischen Betreuungen, Beratungen, Bewertungen, Begutachtungen und Fortbildungen für sich und ihre Einsender. Das Abrechnungsrecht über die Vergütungen über hygienische Beratungsleistungen lag bei der Laborpraxis (§ 2 Satz 2 der Vereinbarung). Wegen der Einzelheiten wird auf die Kooperationsvereinbarung verwiesen.
Die Tätigkeit des Klägers für die Laborarztpraxis unterteilte sich in die zwei Arbeitsbereiche Beratungsleistung „Hygiene” für Einsender der Laborarztpraxis und Laborleistung „Hygiene”. Die angebotenen Beratungsleistungen Hygiene umfassten die Bewertung von Neu- und Umbaumaßnahmen, die Hilfe bei Erstellung von Hygieneplänen, die Erfassung und Bewertung nosokomialer Infektionen, das Ausbruchsmanagement bei nosokomialen Infektionen und die Umsetzung ordnungsgemäßer Abfallentsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes. Die angebotenen „Laborleistung Hygiene” umfassten die Überprüfung der Aufbereitungsqualität von Medizinprodukten und Gebrauchsgegenständen (Reinigungs- und Desinfektionsprozesses, Aufbereitungserfolg von Endoskopen, Sterilisationsfragen), die Flächenhygiene (Abdruck und Abstrichuntersuchungen Flächen), die Händehygiene, die Untersuchung von Wasserversorgungsanlagen und Geräten mit wasserführenden Systemen, die Überprüfung von Schwimm-, Bade-, Therapie- und Bewegungsbecken und die hygienische Überprüfung von technischen Anlagen. Die entsprechenden Leistungen wurden für auftraggebende Krankenhäuser, Arztpraxen, Alten- und Pflegeheime erbracht. Die Beratungsleistungen wurden von ihm fernmündlich, schriftlich in Form von Stellungnahmen zu Hygienefragen und auch direkt im Rahmen von Ortsterminen in Krankenhäusern und Arztpraxen erbracht. Inhaltlich erstreckte sich sein Tätigkeitsfeld auf die Bearbeitung und Beantwortung folgender Fragestellungen:
- Wie können Krankenhausinfektionen durch das richtige Personalverhalten vermieden werden (Händehygiene, Kleidungshygiene, Verhaltensregeln in OP-Abteilungen, Intensivstationen oder anderen Funktionsbereichen)?
- Welche speziellen Strategien müssen angewendet werden, um besonders schwere Krankenhausinfektionen und Blutvergiftungen so weit wie möglich zu vermeiden?
- Wie kann das Maß der tatsächlich vorhandenen Krankenhausinfektionen ermittelt, bewertet und positiv beeinflusst werden (lnfektionsstatistik, Interventionsstrategien)?
- Welche besonderen Maßnahmen müssen getroffen werden, wenn Patienten mit besonders gefährlichen Erregern wie Tuberkulosebakterien oder Keimen, gegen welche die üblicherweise eingesetzten Antibiotika unwirksam geworden sind (multiresistente Keime wie ORSA bzw. MRSA), infiziert sind und behandelt werden sollen?
- Wie muss bei Auftreten von Gruppenerkrankungen (Epidemien) vorgegangen werden, um eine weitere Ausbreitung der Erreger in der Einrichtung zu verhindern (Quellensuche, Unterbrechung von Infektionsketten)?
- Wie müssen Instrumente und andere medizinische Geräte aufbereitet werden, damit eine Übertragung von Krankheitserregern auf Patienten ausgeschlossen werden kann (Reinigung, Desinfektion, Sterilisation)?
- Wie müssen Flächen und Gegenstände in Krankenhaus und Praxis gereinigt oder desinfiziert werden, um Infektionsübertragungen zu vermeiden?
- Wie müssen technische Anlagen betrieben werden, um eine Patienten- und Mitarbeitergefährdung zu minimieren (z. B. Betrieb von Warmwasseranlagen zur Vermeidung Legionärserkrankungen, Betrieb von Beatmungssystemen zur Verminderung des Risikos für Lungenentzündungen)?
- Welche Aspekte der Hygiene müssen beim Bau oder Umbau von OP-Abteilungen, Intensivstationen, Funktion...