vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein höherer erbschaftsteuerlicher Freibetrag aufgrund eines Erbverzichts der Elterngeneration
Leitsatz (redaktionell)
Die durch einen Erbverzicht ausgelöste Vorversterbensfiktion gem. § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB führt nicht zu einem erbschaftsteuerlichen Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG.
Normenkette
BGB § 2346 Abs. 1; ErbStG § 16 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Höhe eines erbschaftssteuerlichen Freibetrags.
Der Kläger beerbte seinen Großvater gem. testamentarischer Verfügung zu ¼. Weitere Erben neben dem Kläger waren dessen Schwester sowie sein Onkel nebst seinen beiden Töchtern.
Der Erblasser hatte mit dem Vater des Klägers bereits am 14. Januar 2013 einen Erbverzichtsvertrag unter Ausschluss von § 2349 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geschlossen. Hintergrund war eine drohende Überschuldungssituation des Vaters des Klägers, welcher bereits im Jahr 2003 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte.
In diesem Erbverzichtsvertrag belehrte die Notarin darüber, dass bereits erfolgte testamentarische oder erbvertragliche Verfügungen mit dem notariellen Erbverzicht nicht aufgehoben sind. Auf den zu den Akten gereichten Erbverzichtsvertrag wird Bezug genommen.
Mit der Erbschaftsteuererklärung beantragte der Kläger, aufgrund der durch den Erbverzicht ausgelösten Vorversterbensfiktion des § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB als Kind eines vorverstorbenen Kindes gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) in die Erbschaftsteuerklasse I Nr. 2 mit einem Freibetrag von 400.000 € eingeordnet zu werden.
Dem folgte der Beklagte nicht. Er veranlagte den Kläger mit Erbschaftsteuerbescheid vom 4. März 2021 zur Erbschaftsteuer. Dabei berücksichtigte er lediglich einen Freibetrag i.H.v. 200.000 EUR gem. § 16 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 15 Abs. 1 ErbStG. Er behandelte den Kläger als Kindeskind der Steuerklasse I Nr. 3 des § 15 Abs. 1 ErbStG, da der Vater des Klägers tatsächlich nicht vorverstorben war.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. Ihm sei aufgrund des Erbverzichts seines Vaters und der dadurch ausgelösten Vorversterbensfiktion gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 ErbStG als Kind eines vorverstorbenen Kindes ein Freibetrag von 400.000 € zu gewähren. Der Erwerb bliebe dann erbschaftsteuerfrei.
Der Beklagte erließ am 19. Juli 2021 aus hier nicht streitigen Gründen einen geänderten Erbschaftsteuerbescheid.
Den Einspruch des Klägers wies er mit Bescheid vom 24. August 2020 als unbegründet zurück. Die Tatbestandsvoraussetzung „Kinder vorverstorbener Kinder“ sei nur erfüllt, wenn der vermittelnde Elternteil tatsächlich verstorben sei. Der Erbverzicht beinhalte zwar den Verlust des gesetzlichen Erbrechts. Andere Erwerbe von Todes wegen, wie z.B. Vermächtnisse, schließe der Erbverzicht nicht aus. Für diese Erwerbe würde der Sohn im Verhältnis zu seinem Vater zu Recht weiterhin den Freibetrag in Höhe von 400.000 € erhalten. Würde man der Rechtsansicht des Klägers folgen, so wäre es möglich, dass der Freibetrag von 400.000 EUR mehrfach in Anspruch genommen werden könnte, ohne dass der gesetzliche Tatbestand für die Enkelgeneration – nämlich das Vorversterben der vorangehenden Generation – überhaupt erfüllt wäre. Der Gesetzgeber habe die Möglichkeit des Erbverzichts z. B. in § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG durchaus berücksichtigt. § 16 ErbStG enthalte dazu keine Regelung. Es sei daher davon auszugehen, dass der Gesetzeswortlaut eindeutig sei und eine Regelungslücke nicht vorliege.
Mit seiner Klage verfolgt der Kläger weiter sein Begehren auf Berücksichtigung eines Freibetrages i.H.v. 400.000 EUR.
Der Beklagte verkenne die Wirkungen des § 2346 Absatz 1 Satz 2 BGB.
Es liege eine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 Grundgesetz (GG) vor. Durch den streitigen Bescheid würden nicht wesentlich unterschiedliche Sachverhalte einer undifferenzierten Ungleichbehandlung zugeführt. Der Beklagte besteuere den Familienstamm nach seinem Vater höher als jenen nach seinem Onkel.
Der Kläger beantragt,
den Erbschaftsteuerbescheid vom 4. März 2021 in der Fassung des Bescheides vom 19. Juli 2021 und den Einspruchsbescheid vom 24. August 2021 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seinen Ausführungen im Einspruchsbescheid fest.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage hat keinen Erfolg.
Der streitige Erbschaftsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Der Beklagte hat in dem streitigen Bescheid zu Recht einen Freibetrag i.H.v. 200.000 EUR berücksichtigt.
Der Kläger ist Enkel des Erblassers. Als solcher unterfällt er nach § 15 Abs. 1 ErbStG der Steuerklasse I Nr. 3. Gem. § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG bleibt der Erwerb der Kinder der Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 i.H.v. 200.000 EUR steuerfrei. Diesen Freibetrag hat der Beklagte im streitigen Bescheid zutreffend berücksichtigt.
2. Ein höherer ...