Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalertragsteuer-Anmeldung bei Untersagungsverfügung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen
Leitsatz (redaktionell)
- Schließt eine Gemeinschuldnerin mit Kapitalanlegern unter der Verwendung von Formularen mit der Bezeichnung „Gesellschaftsvertrag einer stillen Beteiligung” Verträge ab, nach der die Anleger als „stille Gesellschafter” der Gemeinschuldnerin Anlagegelder gegen Zahlung von Zinsen und Gewinnanteilen für einen Zeitraum von 20 Jahren zur Verfügung stellen, so unterliegen die Auszahlungen der Kapitalertragsteuer.
- Zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der entsprechenden Steueranmeldungen und des Steuerabzugs ist das FG nicht gehalten, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob es sich bei den an die Anleger ausgezahlten Geldbeträge um Gewinnausschüttungen im Rahmen einer stillen Gesellschaft oder – so die Auffassung des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen (heute: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) – um Zinszahlungen im Rahmen der Einlagengeschäfte gehandelt hat. In beiden Fällen handelt es sich um kapitalertragsteuerpflichtige Auszahlungen.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nrn. 4, 7, §§ 44, 44b Abs. 4, § 45a
Streitjahr(e)
1995, 1996, 1997, 1998
Tatbestand
Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Firma A.-Vertrieb GmbH & Co. KG (Gemeinschuldnerin). Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte (das Finanzamt) verpflichtet ist, Kapitalertragsteueranmeldungen aus den Jahren 1995 bis 1998 ersatzlos aufzuheben.
Die Gemeinschuldnerin schloss im Zeitraum 1994 bis 1997 mit ca. 380 Kapitalanlegern Beteiligungsverträge ab. Auf der Grundlage der verwendeten Vertragsformulare „Gesellschaftsvertrag einer stillen Beteiligung” stellten die Anleger als „stille Gesellschafter” der Gemeinschuldnerin Anlagegelder für einen festen Zeitraum von 20 Jahren zur Verfügung. Die Gemeinschuldnerin verpflichtete sich zur Zahlung von Zinsen und Gewinnanteilen. Eine Verlustbeteiligung der Anleger war ausgeschlossen. Diese Verträge wurden unstreitig zunächst durchgeführt. Die Gemeinschuldnerin zahlte an die Anleger die jeweils fälligen Beträge unter Abzug von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag aus. Die Kapitalertragsteuer wurde nach entsprechender Anmeldung an das Finanzamt abgeführt.
Im Jahr 1997 überprüfte das damalige Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (heute: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFin -) die Tätigkeit der Gemeinschuldnerin. Als Ergebnis dieser Prüfung stellte das Bundesaufsichtsamt fest, dass die als stille Beteiligungen bezeichneten Verträge mit den jeweiligen Anlegern rechtlich nicht als stille Beteiligungen, sondern als Einlagengeschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Kreditwesengesetzes (KWG) zu qualifizieren seien. Für derartige Einlagengeschäfte bedurfte die Gemeinschuldnerin einer aufsichtsrechtlichen Genehmigung nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG. Die Gemeinschuldnerin besaß eine solche Genehmigung nicht und konnte sie auch nicht erhalten.
Das Bundesaufsichtsamt erließ daher am 27.01.1998 nach § 37 KWG eine sofort vollziehbare Verfügung, mit der sie der Gemeinschuldnerin aufgab, es ab sofort zu unterlassen, Verträge mit Geldanlegern abzuschließen und entgegengenommene Einlagen der – jetzt – so genannten stillen Gesellschafter innerhalb von zwei Monaten rückabzuwickeln. Die Gemeinschuldnerin legte gegen diese Verfügung Widerspruch ein und beantragte zugleich beim Verwaltungsgericht (VG) Berlin die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs wiederherzustellen.
Dieser Antrag wurde durch Beschluss des VG Berlin vom 17.07.1998 abgelehnt. Den Antrag der Gemeinschuldnerin auf Zulassung der Beschwerde gegen die Entscheidung des VG Berlin wurde vom Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin vom 26.10.1998 zurückgewiesen.
Durch diese Entscheidung wurde die Verfügung des Bundesaufsichtsamtes über die sofortige Vollziehung vom 27.01.1998 bestandskräftig. Die Gemeinschuldnerin geriet deshalb in Zahlungsschwierigkeiten und wurde zahlungsunfähig. Das Amtsgericht Bad Iburg eröffnet am 13.11.1998 antragsgemäß das Konkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin.
Der von der Gemeinschuldnerin eingelegte Widerspruch gegen die Untersagungsverfügung des Bundesaufsichtsamtes wurde durch Widerspruchsbescheid als unbegründet zurückgewiesen. Mangels Erfolgsaussicht erhob die Gemeinschuldnerin keine Klage. Damit wurde die Untersagungs- und Rückabwicklungsverfügung bestandskräftig.
Der Kläger als Konkursverwalter beantragte am 15.07.1999 beim Finanzamt ausdrücklich die Rückzahlung (Erstattung) der von der Gemeinschuldnerin einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer. Diesen Antrag legte das Finanzamt später zugleich als Antrag auf Aufhebung der betroffenen Kapitalertragsteuer-Anmeldungen aus. Dieser Antrag wurde am 10.09.1999 abgelehnt, der Einspruch vom 15.03.2003 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Klage mit der der Kläger die Aufhebung der Kapitalertragsteuer-Anmeldungen
vom 12.10.1995 |
über 344.601 DM, |
vom 31.12.1996 |
über 579.64... |