Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht der Ehegatten zur Zustimmung zur Zusammenveranlagung
Leitsatz (amtlich)
1. Aus dem Wesen der Ehe ergibt sich für beide Ehegatten grundsätzlich die Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne eine Verletzung eigener Interessen möglich ist.
2. Es besteht daher für beide Ehegatten jeweils die Verpflichtung, in eine Zusammenveranlagung einzuwilligen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen Ehegatten verringert, der in Anspruch genommene aber keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt wird. Eine solche Verpflichtung bleibt auch nach der Scheidung als Nachwirkung der Ehe bestehen.
3. Die Ehegatten können die Pflicht zur Zustimmung zur Zusammenveranlagung durch Vereinbarung wirksam abbedingen.
Normenkette
BGB § 1353 Abs. 1; EStG § 26 Abs. 1-2
Verfahrensgang
AG Obernburg a.M. (Aktenzeichen 3 F 23/22) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Obernburg a. Main vom 04.11.2022, Az. 3 F 23/22, wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.000,00 Euro festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Antragsteller macht im Rahmen der von ihm geführten Beschwerde einen Anspruch auf Zustimmung zur steuerlichen Zusammenveranlagung gegen die Antragsgegnerin geltend.
1. Die Beteiligten sind seit Anfang 2019 getrennt lebende Eheleute. Während des Zusammenlebens der Beteiligten hatte sich die Antragsgegnerin um die steuerlichen Belange der Eheleute gekümmert. Nachdem beide Eheleute durch das Finanzamt zur Abgabe von Einkommenssteuererklärungen für den Zeitraum 2013 bis 2019 aufgefordert worden waren, wandte sich die Antragsgegnerin zur Unterstützung an den Lohnsteuerhilfeverein. Nachfolgend bemühte sich die Antragsgegnerin um die Zusammenstellung der für die Einreichung einer Steuererklärung erforderlichen Unterlagen, wobei sie hierfür auch Steuerunterlagen vom Antragsteller anforderte. Weiterhin wies die Antragsgegnerin den Antragsteller mehrfach darauf hin, dass eine gemeinsame steuerliche Veranlagung gegenüber einer Einzelveranlagung der Ehegatten wirtschaftlich vorteilhaft wäre. Ausgehend von einem WhatsApp-Schriftverkehr zwischen den Beteiligten am 19.06.2020 verweigerte der Antragsteller jedoch eine Mitwirkung an einer Zusammenveranlagung und forderte die eigenen Steuerunterlagen vom Lohnsteuerhilfeverein zurück.
Im Folgenden reichte daraufhin die Antragsgegnerin ihre Steuererklärung für die Jahre 2013 bis 2019 ein. Es ergingen seit dem 17.12.2020 rechtskräftige Steuerbescheide mit einer Erstattungsforderung in Höhe von insgesamt ca. 10.900,00 EUR. Gegenüber dem Antragsteller ergingen im Rahmen der Einzelveranlagung noch nicht bestandskräftige Einkommenssteuerbescheide vom 21.12.2020, die für den Veranlagungszeitraum 2013 bis 2019 eine Nachzahlung von ca. 23.000,00 EUR enthalten.
Der Antragsgegner hat erstinstanzlich beantragt, die Antragsgegnerin zur Zustimmung zur Zusammenveranlagung zu verpflichten. Da seine Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig seien, könnte die erfolgte Einzelveranlagung der Ehegatten noch entsprechend abgeändert werden. Eine rechtlich bindende Vereinbarung zwischen den Beteiligten zur Einzelveranlagung sei nicht zustande gekommen.
Die Antragsgegnerin hat sich demgegenüber auf eine bindende Absprache der Beteiligten zur Einzelveranlagung berufen.
2. Mit Endbeschluss vom 04.11.2022 hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Anspruch des Antragstellers der Einwand der Treuwidrigkeit entgegenstehe. Der Antragsteller habe durch seine ausdrückliche Verweigerung der Zustimmung zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung auf die Einhaltung einer entsprechenden Verpflichtung der Antragsgegnerin verzichtet. Die Antragsgegnerin habe sich darauf einstellen können, dass es nach Bestandskraft der ihr gegenüber ergangenen Steuerbescheide bei diesen verbleibe.
3. Mit seiner am 13.11.2022 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen die erstgerichtliche Entscheidung. Zwar habe der Antragsteller ursprünglich keine gemeinsame Veranlagung gewollt. Später habe er jedoch seine Meinung geändert. Das Amtsgericht habe verkannt, dass die Verweigerung der Zustimmung zur Zusammenveranlagung durch die Antragsgegnerin rechtsmissbräuchlich sei. Das Amtsgericht habe bei seiner Entscheidung außer Betracht gelassen, dass die gemeinsame Veranlagung aufgrund der insgesamt geringeren Steuerschuld nur vorteilhaft sei. An der Steuerlast der Antragsgegnerin hätte sich nichts geändert. Es gebe keinen Grund, dem Antragsgegner durch eine höhere Steuerlast bei Einzelveranlagung zu schaden. Ein für die Antragsgegnerin wirkender Vertrauenstatbestand hinsichtlich der Fortgeltung der Einzelveranlagung bestehe nicht, da ihr aus der Zusammenveranlagung keine Nachteile entstü...