Leitsatz (amtlich)
Die Beauftragung des vorläufigen Sachwalters im Verfahren nach § 270b InsO durch den Schuldner mit nicht von der durch das Insolvenzgericht festzusetzenden Vergütung abgegoltenen Tätigkeiten ist insolvenzzweckwidrig und unwirksam.
Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 11.09.2013; Aktenzeichen 1 O 1168/13) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Dresden vom 11.09.2013 - Az. 1 O 1168/13 - im Kostenpunkt aufgehoben, im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten beider Rechtszüge trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 5.057,51 EUR.
V. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Nachdem die Beklagte am 14.06.2012 beim AG Lüneburg die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen wegen drohender Zahlungsunfähigkeit beantragt hatte, ordnete das AG ein so genanntes Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO an und bestellte den Kläger zum vorläufigen Sachwalter.
Unter dem 14.09.2012 eröffnete das AG Lüneburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten, ordnete die Eigenverwaltung im Sinne der §§ 270 ff. InsO an und bestellte eine dritte Person zum Sachwalter.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Ausgleichung von Honorarforderungen wegen Beratungsleistungen aufgrund eines Rechtsberatungsvertrags als Masseverbindlichkeit, die er während des Schutzschirmverfahrens für die Beklagte erbracht hat.
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat dem Klageantrag entsprochen und hierzu insbesondere ausgeführt, die Anordnungen im insolvenzgerichtlichen Beschluss vom 22.06.2012 unter Nr. 3 seien dahingehend zu verstehen, dass nicht nur die Forderungen von Warenlieferanten, sondern auch von Dienstleistern, jedenfalls solchen, die zur Sanierung der Beklagten beitrügen, zu Masseverbindlichkeiten in Anwendung des § 270b Abs. 3 InsO hochgestuft werden sollten.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie insbesondere geltend macht, nicht jeder Beschluss des Insolvenzgerichts nach § 270b Abs. 3 InsO stelle eine globale Ermächtigung des Schuldners dar, Masseverbindlichkeiten zu begründen, vielmehr sei auf die konkrete Ermächtigung abzustellen. Auch sei der Schuldner im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung nicht pauschal ermächtigt, Masseverbindlichkeiten zu begründen. Ein Beschluss nach § 270b Abs. 3 InsO sei nicht "nach dem Willen der Parteien", sondern nach den vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 18.07.2002 - IX ZR 195/01 - aufgestellten Grundsätzen auszulegen. Daher sei der Beschluss des Insolvenzgerichts vom 22.06.2012 als - wie die Gesetzgebungsgeschichte des § 270b InsO zeige - zulässige Einzelermächtigung zu verstehen. Entscheidend sei ihr Wortlaut, der nur Lieferanten und nicht sonstige Leistungserbringer erfasse. Unklar sei der Beschluss darüber hinaus deshalb, weil er die Begründung von Masseverbindlichkeiten von der zusätzlichen Voraussetzung "erforderlichenfalls" abhängig mache. Der Kläger sei jedenfalls nicht als Lieferant im Sinne des Beschlusses vom 22.06.2012 anzusehen. Schließlich sei seine Beauftragung durch die Schuldnerin wegen der parallelen Stellung als vorläufiger Sachwalter unter Verstoß gegen § 59 InsO erfolgt, daher insolvenzweckwidrig und unwirksam.
Sie beantragt, das Urteil des LG Dresden vom 11.9.2013, Az. 1 O 1168/13, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Sachvortrags, insbesondere erläutert er die mit den als Anlage K 2 bis K 5 abgerechneten Tätigkeiten mit Schriftsatz vom 24.03.2014 ausführlich. Einer Qualifizierung der Beauftragung des vorläufigen Sachwalters durch den Schuldner als insolvenzzweckwidrig tritt er entgegen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 05.02.2014, 07.05.2014 und 08.10.2014 verwiesen.
II. Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht keine im eröffneten Verfahren im Rang von Masseverbindlichkeiten zu befriedigende Forderung gegen die Beklagte gemäß §§ 270b Abs. 3, 55 Abs. 2 InsO zu.
1. Ein derartiger Anspruch scheitert allerdings nicht an den Voraussetzungen des § 270b Abs. 3 InsO, da der insolvenzgerichtliche Beschluss vom 22.06.2012, dessen grundsätzliche Wirksamkeit die Parteien zu Recht nicht in Zweifel ziehen, nicht nur die Forderungen von Warenlieferanten, sondern auch diejenige von Dienstleistern erfasst.
a) Nach ganz überwiegender Auffassung (statt vieler KPB/Pape, InsO, § 270b Rn. 73) ist ...