Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, wann eine Erklärung des Verteidigers als Geständnis des Angeklagten, der sich selbst nicht zur Sache äußert, angesehen werden kann.
2. Widerspricht die Verteidigung einer Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO mit der Zielrichtung, einen Freispruch zu erreichen, und entzieht sich das Gericht aus der Sicht der Verteidigung der Auseinandersetzung mit deren Einwendungen durch die Einstellung, so kann die Verteidigung darauf vertrauen, dass der ausgeschiedene Verfahrensstoff ohne entsprechenden Hinweis bei der Beweiswürdigung des verbliebenen Verfahrensstoffes nicht berücksichtigt wird .
Verfahrensgang
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Gelsenkirchen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Gelsenkirchen hat den Angeklagten wegen Anstiftung zum Diebstahl und wegen Computerbetruges in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.
Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte mit am 28. 06. 2000 bei dem Amtsgericht eingegangenem Schreiben seines Verteidigers Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Zustellung des schriftlichen Urteils an den Verteidiger am 14. 08. 2000 mit am 13. 09. 2000 eingegangenem Schriftsatz des Verteidigers als Revision bezeichnet und begründet. Da zu diesem Zeitpunkt das Hauptverhandlungsprotokoll noch nicht fertiggestellt war, musste das schriftliche Urteil dem Verteidiger erneut zugestellt werden, was unter dem 15. 02. 2001 geschah.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Akten dem Senat mit Antragsschrift vom 26. 06. 2001 vorgelegt.
Die Revision des Angeklagten greift das amtsgerichtliche Urteil mit der Sachrüge sowie mit den Verfahrensrügen der Verletzung der §§ 261 StPO sowie der §§ 243 Abs. 4, 261 StPO an. Die Revision beantragt, das Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zu verweisen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den dazugehörigen Feststellungen aufzuheben, soweit es die Fälle 1. , 2. und 4. bis 7. der Anklageschrift und den Gesamtstrafenausspruch betrifft, und die Sache in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Gelsenkirchen zurückzuverweisen. Die weitergehende Revision soll gem. § 349 Abs. 2 StPO verworfen werden.
II.
Die Revision des Angeklagten ist zulässig und hat auch in der Sache zumindest vorläufig vollen Erfolg.
1. Die Revision rügt zunächst zu Recht, dass das Amtsgericht die Verurteilung des Angeklagten auf eine Videoaufzeichnung gestützt hat, ohne diese durch Augenscheinseinnahme in die Hauptverhandlung eingeführt zu haben.
Das Amtsgericht hatte den Angeklagten u. a. wegen einer Tat vom 24. 01. 1999 verurteilt. Es hat dazu folgende Feststellungen getroffen:
"Am 24. 01. 1999 kauften sie (der Angeklagte und der Zeuge G. ) bei der Aral-Tankstelle in Gelsenkirchen-Buer, Dorstener Straße 343, Benzin Super für 50, 00 DM, Zigaretten der Marke Marlboro für 5, 20 DM, der Marke HB für 5, 00 DM und Pun multi 0, 5 für 2, 19 DM. Zur Bezahlung benutzten sie die entwendete Scheckkarte der Dresdner Bank. "
In der Beweiswürdigung zur Überführung des Angeklagten hinsichtlich sämtlicher vom Amtsgericht festgestellter Taten heißt es - erkennbar zur Bewertung der Glaubhaftigkeit eines vom Amtsgericht angenommenen Teilgeständnisses des Angeklagten im Bezug auf seine Täterschaft im Übrigen - wie folgt:
"Der Angeklagte K. räumt ein, an der Tat zum Nachteil der Aral-Tankstelle beteiligt gewesen zu sein. Dieses Einräumen der Tathandlung beruht insbesondere auf einer Videoaufzeichnung in der Tankstelle, das die Bezahlung durch den Angeklagten und den Zeugen G. eindeutig zeigt, so dass insoweit ein Leugnen der Tathandlung sinnlos wäre. "
Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts verstößt hier gegen § 261 StPO. Das Amtsgericht hat seiner Beweiswürdigung nämlich eine Videoaufzeichnung zugrunde gelegt, ohne diese - was durch das Hauptverhandlungsprotokoll bewiesen ist, § 274 StPO - durch Augenscheinseinnahme in die Hauptverhandlung eingeführt zu haben (vgl. BGH, StV 1998, 417 f). Es kann auch ausgeschlossen werden, dass das Amtsgericht sich auf andere Weise als durch die nicht prozessordnungsgemäße Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnung davon überzeugt hatte, dass der Angeklagte dort beim Einkauf der fraglichen Gegenstände dargestellt wurde. Aus der Formulierung des Amtsgerichts, die Videoaufzeichnung zeige "eindeutig" die Bezahlung durch den Angeklagten und den Zeugen G. , kann nämlich nur entnommen werden, dass das Amtsgericht sich auf den Inhalt der Aufnahme selbst beziehen wollte. Anders wäre die vorgenannte Bewertung der Qualität der Aufzeichnung nicht verständlich.
2. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts erweist sich an ...