Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungswidrigkeit nach dem FVG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Allein das Verbringen von Zahlungsmitteln aus oder in die Bundesrepublik Deutschland ist auch in erheblicher Höhe – abgesehen von steuerrechtlich erheblichen Sachverhalten – weder verboten noch bußgeldbewehrt. Die sich aus § 12 a Abs. 2 Satz 1 FVG (bzw. seit 21.12.2001: § 12 a Abs. 1 Satz 1 ZollVG) ergebende Anzeigepflicht von Beträgen über 15.000 Euro (bzw. bis 31.12.2001 DM 30.000) setzt erst bei Aufforderung durch einen Zollbediensteten oder eines Mitgliedes des Bundesgrenzschutzes ein.

2. Für das insoweit maßgebliche Tatbestandsmerkmal des „auf Verlangens” reicht eine „allgemeine und nicht substantiierte Aufforderung” nicht aus, erforderlich aber auch ausreichend ist vielmehr, dass diese die Tatbestandsmerkmale „mitgeführtes Bargeld oder gleichgestellte Zahlungsmittel über 15.000 Euro (bzw. bis 31.12.2001: DM 30.000)” enthält und vom Zollbeamten wahrnehmbar zum Ausdruck gebracht wird.

3. a. An einem vorsätzlichen Verstoß gegen die Anzeigepflicht kann es fehlen, wenn der Angesprochene eine an ihn herangetragene Aufforderung aufgrund akustischer oder sprachlicher Defizite überhaupt nicht aufnehmen kann und infolgedessen der Anzeigepflicht nicht nachkommt.

b. Versteht der Betroffene dagegen diese Aufforderung akustisch und sprachlich zutreffend, wertet er jedoch diese falsch, kommt ein Verbotsirrtum in Betracht, der den Vorsatz nur entfallen lässt, wenn er unvermeidbar ist.

c. In diesem Fall ist dem Angesprochenen durch Nachfrage bei dem anwesenden Zollbeamten aber eine nähere Abklärung des Begriffes der Zahlungsmittel und damit des Umfangs seiner Anzeigepflicht abzuverlangen. Unterlässt er dies, wird der Verbotsirrtum als vermeidbar anzusehen und Vorsatz zu bejahen sein.

4. a. Auch bei einem ausländischen Sparbuch kann es sich um ein anzeigepflichtiges Zahlungsmittel handeln.

b. Ob einem solchen eine derartige Qualität zukommt, richtet sich nach dem Recht, dem das in der Urkunde verbriefte Recht unterliegt.

c. Bei türkischen Sparbüchern handelte sich nur dann um anzeigepflichtige Zahlungsmittel, wenn in diesen eine für die Bank wirkende Legitimationsklausel vermerkt ist, auf deren Grundlage die Bank auch ohne Prüfung der Legitimation an den Vorleger des Sparbuchs Auszahlungen mit befreiender Wirkung leisten kann.

 

Normenkette

FVG i.d.F. v. 22.12.1999 § 12c Abs. 1; FVG i.d.F. v. 22.12.1999 § 12a Abs. 2 S. 1; FVG i.d.F. v. 22.12.1999 § 12a Abs. 1 S. 1; ZollVG i.d.F. v. 21.12.2001 § 31a Abs. 1; ZollVG i.d.F. v. 21.12.2001 § 12a Abs. 1 S. 1; ZollVG i.d.F. v. 21.12.2001 § 1 Abs. 3a S. 1; ZollVG i.d.F. v. 21.12.2001 § 1 Abs. 3a S. 2; BGB § 808; EGBGB Art. 37, 27 Abs. 1, Art. 28 Abs. 2; StGB § 261; OWiG § 11 Abs. 1, § 80a Abs. 3; OwiG § 80a Abs. 2; TürKHGB Art. 557-558, 568, 570

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts K. vom 21. Oktober 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht K. zurückverwiesen.

 

Gründe

Nach den getroffenen Feststellungen reiste der Betroffene am 05.10.2001 aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland über den Flughafen S. ein, wobei er türkische Sparbücher mit einer Gesamteinlage von umgerechnet DM 123.353,67 bei sich führte. Auf Aufforderung des Zollbeamten Sch. bei der Einreisekontrolle, mitgeführtes Bargeld Wertpapiere, Schecks, Wechsel, Edelmetalle, Edelsteine, Sparbücher und Kreditbriefe mit einem Gesamtwert von über DM 30.000 anzugeben, verschwieg er diese, wobei das Amtsgericht zu Gunsten des Betroffenen davon ausging, dass er wegen seiner Schwerhörigkeit lediglich die Aufforderung zur Angabe von „Geld und Gold” im Wert von über DM 30.000 verstanden hatte.

Das Amtsgericht hat hierin eine Ordnungswidrigkeit des fahrlässigen Verstoßes gegen das Finanzverwaltungsgesetz (FVG) erblickt und den Betroffenen am 21.10.2002 zu einer Geldbuße von 1.000 Euro verurteilt. Der Tatrichter ist der Ansicht, der Betroffene habe fahrlässig gehandelt, weil er bei dem Zollbeamten nicht näher nachgefragt habe, obwohl der Betroffene – ohne es näher zu verstehen – durchaus gemerkt habe, dass der Beamte auch noch nach „anderen Dingen gefragt” hatte.

Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit welcher er die Verletzung materiellen Rechts rügt; insbesondere wendet er sich gegen die Annahme einer Wertpapierqualität türkischer Sparbücher.

II.

Der Rechtsbeschwerde, die gemäß §§ 80 a Abs. 3, Abs. 2 Nr. 1, 79 Abs. 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen wurde, kann ein zumindest – vorläufiger – Erfolg nicht versagt bleiben.

1. Indes scheitert der Schuldspruch nicht daran, dass der Betroffene die Aufforderung des Beamten aufgrund seiner Schwerhörigkeit nicht vollständig verstanden hat.

a. Nach dem bis 20.12.2001 gültigen § 12 c Abs. 1 FVG (bzw. der nunmehr geltenden und inhaltsgleichen Bestimmung des § 31 a Abs. 1 ZollVG) ha...

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