Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberaterhaftung: Darlegungs- und Beweislast des Mandanten bei Schadensersatzansprüchen in Folge von Schätzungsbescheiden der Finanzbehörden
Leitsatz (amtlich)
Bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Folge von Schätzungsbescheiden der Finanzbehörden muss grundsätzlich der Mandant darlegen, welche Gewinne oder Verluste abweichend von den Besteuerungsgrundlagen der Schätzungsveranlagung tatsächlich entstanden sind. Sofern es ihm mangels Unterlagen nicht möglich ist zu belegen, welcher Gewinn abweichend von den Besteuerungsgrundlagen der Schätzungsveranlagung hätte versteuert werden müssen, bleibt er beweisfällig.
Normenkette
BGB § 280
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 14.10.2022; Aktenzeichen 21 O 105/18) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten werden das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 14.10.2022 und das Teilversäumnisurteil vom 18.07.2018 (Az. 21 O 105/18) aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen mit Ausnahme der Kosten, die durch die Säumnis des Beklagten im Termin vom 18.07.2018 entstanden sind. Diese werden dem Beklagten auferlegt.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter steuerlicher Beratung im Zusammenhang mit einer Außenprüfung der Finanzverwaltung in Anspruch.
Die Klägerin betrieb bis zum Jahr 2011 eine Diskothek auf dem B. A. Park in R. Der Beklagte erstellte für die Veranlagungszeiträume 2009 bis 2011 für die Klägerin die Steuererklärungen und Gewinnermittlungen. Die Buchhaltung oblag nicht dem Beklagten, sondern wurde im Auftrag der Klägerin durch einen "Buchhaltungsservice" erledigt. Aufgrund der Prüfungsanordnung des Finanzamts B. vom 10.12.2014 kam es ab dem 06.10.2015 zu einer steuerlichen Betriebsprüfung für die Zeiträume 2009 bis 2011. Trotz mehrerer Aufforderungen seitens der Finanzbehörde legte der Beklagte zur Betriebsprüfung keine Unterlagen der Klägerin vor. Die Finanzbehörde nahm darauf eine Schätzung vor und änderte die Steuerbescheide, wobei ertragsteuerlich geltend gemachte Verluste auf null geschätzt und die erstattungsfähigen Vorsteuerbeträge jeweils um die Hälfte reduziert wurden. Die geänderten Steuerbescheide wurden bestandskräftig. Wegen der Einzelheiten wird auf die Darstellung im landgerichtlichen Urteil verwiesen.
Die Klägerin macht geltend, sie habe weder Kenntnis von der Außenprüfung noch von der Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen, die sich sämtlich beim Beklagten befunden hätten, gehabt. Auch die geänderten Steuerbescheide seien ihr vor Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht bekannt gewesen. Der Beklagte sei mit der Begleitung der Betriebsprüfung betraut gewesen. Es stelle einen Beratungsfehler dar, dass er die Klägerin nicht informiert und die ihm vorliegenden Unterlagen nicht der Finanzbehörde vorgelegt habe. Die Buchhaltung der Klägerin für die Jahre 2009 bis 2011 sei ordnungsgemäß. Bei ihrer Vorlage im Rahmen der Betriebsprüfung hätte eine Abänderung der Umsatzsteuerbescheide verhindert werden können und die Umsatzsteuernachzahlungen wären vermieden worden. Dadurch, dass der Beklagte der Klägerin die geänderten Umsatzsteuerbescheide nicht vorgelegt habe, habe die Klägerin keine Möglichkeit gehabt, gegen diese im Rechtsmittelverfahren vorzugehen. Wegen ihrer wirtschaftlichen Lage könne die Klägerin Zahlungen auf die offenen Umsatzsteuerverbindlichkeiten nicht leisten, weshalb weiter Zinsen und Säumniszuschläge anfielen. Wegen der Einzelheiten der Schadensberechnung wird auf die Darstellung im landgerichtlichen Urteil verwiesen.
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des weiteren Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat zunächst am 18.07.2018 ein Teil-Versäumnis- und Schlussurteil gegen den Beklagten erlassen, mit dem dieser zur Zahlung von 61.706,32 EUR zuzüglich Zinsen sowie Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 1.642,40 EUR zuzüglich Zinsen verurteilt wurde. Nach Einspruch des Beklagten hat das Landgericht Beweis erhoben und nach Klageerweiterung mit dem angefochtenen Urteil das Teilversäumnisurteil vom 18.07.2018 bestätigt, den Beklagten verurteilt, weitere 9.391,65 EUR zuzüglich Zinsen an die Klägerin zu bezahlen, sowie festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die laufenden Säumniszuschläge der Klägerin auf die Umsatzsteuerschulden zu tragen.
Nach der Einvernahme von Zeugen hat sich das Landgericht davon überzeugt, dass der Beklagte damit beauftragt war, die Klägerin im Zusammenhang mit der Betriebsprüfung des ...