Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Rückständige Sozialversicherungsbeiträge. Glaubhaftmachung des Eröffnungsgrunds. Überwiegende Wahrscheinlichkeit. Präsente Beweismittel. Einzugsstelle der Sozialversicherungsträger. Glaubhaftmachung der Forderung durch den gestellten Antrag. Vorlage einer Leistungsgrundlage. Gegenglaubhaftmachung des Schuldners
Leitsatz (redaktionell)
1. Beantragt eine Einzugsstelle der Sozialversicherungsträger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen rückständiger Gesamtsozialversicherungsbeiträge, muss das Bestehen der Forderung nicht nach § 14 InsO glaubhaft gemacht werden (überwiegende Wahrscheinlichkeit anhand präsenter Beweismittel).
2. Bei einem Insolvenzeröffnungsantrag einer Behörde sind vielmehr wegen deren Verpflichtung zur objektiven Prüfung des Sachverhalts und zur Unparteilichkeit an die Glaubhaftmachung geringere Anforderungen zu stellen. Die Forderung ist bereits durch den gestellten Antrag als glaubhaft gemacht anzusehen. Dies gilt auch, wenn Körperschaften des öffentlichen Rechts Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach dem SGB IV einziehen.Dabei genügt nicht die unsubstantiierte Behauptung, es werde ein bestimmter Betrag gefordert. Dem Insolvenzgericht muss durch Vorlage von Originalen (Kontoauszug) die Prüfung ermöglicht werden, für welche Zeit und in welcher Höhe rückständige Sozialversicherungsbeiträge geschuldet werden. Weitere Anforderungen an die Glaubhaftmachung sind nicht zu stellen.
Normenkette
InsO § 7 Abs. 1 S. 2, § 14 Abs. 1, § 4; ZPO §§ 550, 294
Verfahrensgang
LG Duisburg (Aktenzeichen 24 T 145/99) |
AG Duisburg (Aktenzeichen 60 IK 73/99) |
Tenor
1.
Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 18. August 1999 wird zugelassen.
2.
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 18. August 1999 wird der Beschluß der 24. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 3. August 1999 – 24 T 145/99 – abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 29. Juni 1999 wird der Beschluß des Amtsgerichts Duisburg vom 22. Juni 1999 – 60 IN 73/99 – aufgehoben. Das Amtsgerichts wird angewiesen, den Antrag der Beteiligten zu 2) vom 28. Mai 1999 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners nicht aus den Gründen des Beschlusses vom 22. Juni 1999 abzulehnen.
Gründe
1.
Mit Schriftsatz vom 28. Mai 1999 hat die Beteiligte zu 2), eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, als Einzugsstelle der Sozialversicherungsträger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beteiligten zu 1) beantragt. Ihren – mit einem Dienstsiegel versehenen – Antrag hat sie darauf gestützt, der Beteiligte zu 1) schulde als Arbeitgeber des Mitgliedes A.H. Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den Monat November 1997 und für die Zeit von Juli 1998 bis Januar 1999 in Höhe von insgesamt 2.576,10 DM zuzüglich Gebühren und Säumniszuschläge und ein Pfändungsversuch des Hauptzollamtes bei dem Schuldner sei am 6. Januar 1999 fruchtlos ausgefallen. Zur Glaubhaftmachung hat sie einen mit einem Dienstsiegel versehenen Kontoauszug vom 28. Mai 1999 beigefügt, in dem die geschuldeten Beiträge aufgeführt sind. Der Kontoauszug schließt mit der Erklärung: „Der auf dieser Bildschirmkopie ausgewiesene Saldo wird hiermit gemäß § 14 InsO glaubhaft gemacht.” Zusätzlich hat die Antragstellerin das Vollstreckungsprotokoll über den am 6. Januar 1999 fruchtlos erfolgten Pfändungsversuch nebst weiteren Vollstreckungsunterlagen vorgelegt (Hülle Bl. 5 d.GA.).
Das Amtsgericht Duisburg hat durch Beschluß vom 22. Juni 1999 den Eröffnungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Beteiligte zu 2) habe weder mit dem Antrag noch durch die vorgelegten Unterlagen das Bestehen einer Forderung gegen den Antragsgegner substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht. Es reiche nicht aus, daß die Antragstellerin den Tatbestand des materiellen öffentlichen Rechts aufzeige, aus dem sich ein Anspruch ergeben könne. Die Angaben in dem Eröffnungsantrag müßten so aussagekräftig sein, daß der Schuldner in die Lage versetzt werde, diese anhand seiner Unterlagen zu überprüfen. Hierbei sei es erforderlich, die geschuldeten Beträge nach Art, Veranlagungs- oder Abrechnungszeitraum, Haupt- und Nebenforderungen sowie Fälligkeit detailliert aufzuschlüsseln. Zusätzlich müsse der vollstreckbare Leistungsbescheid oder der Beitragsnachweis unter Angabe des jeweiligen Datums bezeichnet werden. Diesen Anforderungen genüge der dem Eröffnungsantrag beigefügte Kontoauszug nicht, da der jeweils zugrunde liegende Leistungsbescheid oder Beitragsnachweis nicht angegeben worden sei. Durch die mit dem Eröffnungsantrag weiterhin vorgelegten Unterlagen habe die Beteiligte zu 2) ebenfalls nicht ihrer Substantiierungspflicht erfüllt; hieraus könnten die tatsächlich bestehenden Forderungen der Gläubigerin erst durch eingehendes Aufarbeiten der einzelnen Unterlagen ermittelt werden: Die Anlagen seien außerdem nicht in doppelter Aus...