Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Aktenzeichen 6 O 468/95) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16.3.2001 verkündete Urteil des LG Halle, Az.: 6 O 468/95, teilweise aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über die Anträge zu Ziff. 1), zu Ziff. 2) und zu Ziff. 3) des Schriftsatzes der Klägerin vom 25.6.2001 sowie auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das LG Halle zurückverwiesen.
Die Beschwer beider Parteien übersteigt 60.000 DM nicht.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Gründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat in der Sache mit der Maßgabe Erfolg, dass das erstinstanzliche Urteil im Umfange der zuletzt aufrecht erhaltenen Anfechtung durch die Klägerin aufgehoben und der Rechtsstreit insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das LG Halle zurückverwiesen wird.
Das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Halle beruht insoweit auf wesentlichen Verfahrensfehlern, § 539 ZPO. Eine eigene Entscheidung des Senats ist nicht sachdienlich, § 540 ZPO.
1. Der Umfang der Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils ergibt sich aus den Schriftsätzen der Klägerin vom 25.6.2001 (Bl. 28 ff. Bd. III GA) und vom 25.9.2001 (Bl. 69 Bd. III GA).
Mit der Berufungsbegründung vom 25.6.2001 hat die Klägerin dabei den Antrag zu Ziff. 2) (Feststellungsantrag hinsichtlich des Vorbehalts der Geltendmachung künftiger Schadenersatzansprüche) zulässig nach § 264 Nr. 2 ZPO erweitert; zugleich hat sie das erstinstanzliche Urteil unangefochten gelassen hinsichtlich der Abweisung ihres Antrages aus dem Schriftsatz vom 14.6.2000 (Bl. 188 Bd. I GA), betreffend einen angeblichen Verdienstausfall der Klägerin selbst in den Jahren 1993 und 1994. Mit weiterem Schriftsatz vom 25.9.2001 hat die Klägerin ihre Berufung vor Beginn der mündlichen Verhandlung nochmals beschränkt; hierdurch ist die Abweisung ihres Zahlungsantrages i.H.v. 7.000 DM, betreffend den angeblichen Verdienstausfall ihres Ehemannes während der ersten sechs Lebensmonate des gemeinsamen Kindes, in Rechtskraft erwachsen.
2. Das erstinstanzliche Urteil beruht auf einer unvollständigen Aufklärung und Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen. Die Kammer hat in ihrer Entscheidung einzelne medizinische Vorgänge, die die Klägerin als möglicherweise fehlerhaft i.S.d. Haftungsrechts angesprochen hat, unbehandelt gelassen bzw. hierüber mehr oder weniger pauschal Feststellungen getroffen, ohne die erforderliche Sachaufklärung betrieben zu haben. Die Kammer hat in diesem Zusammenhang z.T. versäumt, die Parteien zu ergänzenden Stellungnahmen zu einzelnen Fragen aufzufordern – was, wie das Vorbringen beider Parteien in der Berufungsinstanz zeigt, zu einer Substantiierung des Sachvortrags beider Parteien geführt hätte –, z.T. hat die Kammer vorhandene Beweisantritte übergangen. Im Einzelnen:
2.1. Mit Schriftsatz des Rechtsanwalts T. vom 14.6.2000 hat die Klägerin in Zweifel gezogen, ob die durchgeführte kieferchirurgische Behandlung überhaupt medizinisch indiziert gewesen sei (vgl. insbesondere GA Bd. I Bl. 186 f.). Sie hat angeregt, den – bereits erteilten – Gutachtenauftrag für den gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Dr. L. (bzw. für den von ihm einbezogenen weiteren Sachverständigen Dr. Lg.) um die Frage der Indikation der durchgeführten Operation zu ergänzen (GA Bd. I Bl. 187 Mitte). Zu diesem Zeitpunkt war das schriftliche Gutachten vom 1.9.2000 noch nicht erstellt; eine entsprechende Erweiterung des Beweisthemas wäre ohne Weiteres möglich gewesen.
Die Kammer hat den gesamten vorgenannten Sachvortrag ignoriert. Sie hat weder, wie beantragt, den Gutachtenauftrag entsprechend ergänzt noch hat sie sich mit der Frage der Indikation der Operation vom 7.2.1992 im Verlaufe der Erörterung der Sach- und Rechtslage im weiteren Rechtsstreit sowie in ihrem Urteil überhaupt befasst. Die Kammer hätte der Frage, ob die Operation vom 7.2.1992 überhaupt indiziert war, bzw. hilfsweise, ob statt eines kieferchirurgischen Eingriffs ggfs. auch eine konservative, insbesondere eine kiefernorthopädische und parodontale Behandlung in Betracht gekommen wäre, nachgehen müssen. Denn sowohl die Durchführung einer medizinisch nicht notwendigen Operation als auch eine objektiv fehlerhafte Therapiewahl können u.U. den Vorwurf eines medizinischen Behandlungsfehlers begründen. Das Übergehen des o.a. Sachvortrags der Klägerin einschließlich des hierzu erfolgten Beweisantritts wiegt hier umso schwerer, weil die Frage der Indikation der Operation nicht nur unter dem Aspekt eines eigenständigen Behandlungsfehlers relevant ist, sondern auch für das Maß der so genannten Risikoaufklärung sowie der so genannten Verlaufsaufklärung, die die Klägerin jeweils als unzureichend gerügt hat, erhebliche Bedeutung besitzt. Der Senat geht dabei davon aus, dass die Parteien im Falle der Erörterung dieser Fragen sowie auf entspreche...