Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Rahmen der Insolvenzanfechtung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 InsO sind ratierende Verbindlichkeiten in nominaler Höhe einzubeziehen, wenn die Ratenabrede in Kenntnis des offen gelegten Unvermögens abgeschlossen wurde, die uneingeschränkt fällige Forderung zu begleichen.
2. Der Anfechtungsgegner handelt nicht im Bewusstsein der Gläubigerbenachteiligung (§ 133 Abs. 1 Satz 1 InsO), wenn der Schuldner plausibel darlegen kann, dass in überschaubarer Zeit mit der Wiederherstellung der uneingeschränkten Liquidität gerechnet werden kann. Hierbei kann es im Einzelfall genügen, wenn der Schuldner auf ausstehende Vergütungsansprüche eines bereits aufgenommenen Großauftrags verweist.
Normenkette
InsO § 17 Abs. 2, § 133 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Unter Zurückweisung wird des weitergehenden Rechtsmittels wird der Beklagte auf die Berufung des Klägers unter Abänderung des Urteils der 4. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 6. Mai 2011 – 4 O 55/10 – verurteilt, an den Kläger 3.000 EUR nebst 8 Prozentpunkten Zinsen aus 3.000 EUR über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2008 sowie aus weiteren 7.185,79 EUR für die Zeit ab dem 11.12.2008 bis zum 2.2.2009 zu zahlen.
2. Der Kläger trägt 5/6, der Beklagte 1/6 von den Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 18.536,65 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger das beklagte Land als Insolvenzverwalter über das Vermögen der C. W. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) auf Rückerstattung erhaltener Steuerzahlungen in Anspruch.
Zum 19.12.2007 beliefen sich die Steuerrückstände der Schuldnerin auf 24.184,27 EUR, denen ein noch zu verrechnendes Körperschaftsteuerguthaben in Höhe von 2.651,11 EUR gegenüberstand. Aufgrund einer zuvor getroffenen Ratenzahlungsvereinbarung leistete die Schuldnerin im Zeitraum Februar bis April 2008 die im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung aufgeführten Zahlungen in Höhe von insgesamt 15.073,65 EUR. Darüber hinaus erbrachte die Schuldnerin im Zeitraum 19.6.2008 bis zum 15.7.2008 weitere Zahlungen auf rückständige Steuern über insgesamt 7.185,79 EUR, die das Finanzamt H. jedoch am 2.2.2009 wieder an den Kläger zurückerstattete.
Die katholische Kirchengemeinde L. beziehungsweise die katholische Kirchenstiftung St. M. führte unter dem 6.8.2008 an das Finanzamt H. Bauabzugsteuer in Höhe von 3.000 EUR ab. Dieser Zahlung lag eine Abschlagsrechnung der Schuldnerin über 20.000 EUR zu Grunde, nachdem diese Werkleistungen für die Kirchengemeinde erbracht hatte.
Am 13.8.2008 stellte die Schuldnerin den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Am 10.9.2008 wurde der Kläger unter gleichzeitiger Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 6.11.2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 25.722,44 EUR nebst acht Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 25.572,44 EUR seit dem 11.12.2008, im Übrigen seit Rechtshängigkeit abzüglich am 2.2.2009 gezahlter 7.185,79 EUR zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
Hinsichtlich der auf die Steuerrückstände erfolgten Ratenzahlungen lägen – so die Rechtsauffassung des Klägers – die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 133 InsO vor. Das Landgericht habe die Kenntnis des Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin rechtsfehlerhaft verneint. Der Beklagte habe die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gekannt, nachdem die Schuldnerin nicht in der Lage gewesen sei, die fällige Steuer seit August beziehungsweise September des Jahres 2007 zu begleichen. Auch hätte dem Beklagten die Bilanz des Jahres 2006 vorgelegen, aus der sich die Überschuldung ergeben habe. Der Umstand, dass die Schuldnerin danach keine weiteren Bilanzen mehr vorgelegt habe, hätte dem Beklagten signalisieren müssen, dass es um die Sc...