Leitsatz (amtlich)
Ist ein Gläubiger entgegen der bisherigen Geschäftspraxis nur gegen Vorkasse zur Weiterbelieferung des späteren Insolvenzschuldners bereit, so handelt er nicht bereits deshalb gem. § 133 Abs. 1 InsO in Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes, wenn er Umstände kennt, die eine künftige Zahlungsunfähigkeit möglich erscheinen lassen. Denn die Vorstellung, dass eine Vorkassevereinbarung, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dient, zugleich andere Gläubiger benachteiligen möge, liegt nicht nahe.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 08.05.2006; Aktenzeichen 12 O 404/05) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 8.5.2006 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - Az. 12 O 404/05 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
I. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 188.878,62 EUR festgesetzt. Der Wert der Beschwer des Klägers übersteigt 20.000 EUR.
1. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger wurde durch Beschluss des AG Leipzig vom 1.6.2004 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der D. S. GmbH (Schuldnerin) bestellt. Das Insolvenzverfahren wurde auf Antrag der Schuldnerin vom 2.3.2004 durch Beschluss vom 1.6.2004 eröffnet (Bl. 12 d.A.). In seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter nimmt der Kläger die Beklagte im Wege der Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr von Zahlungen in Anspruch, welche die Schuldnerin vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die Beklagte geleistet hat.
Bei der Schuldnerin handelte es sich um eine Herstellerin von Back - und Süßwaren. Sie stand in ständigen Geschäftsbeziehungen zur Beklagten, einer Produzentin von Rohschokolade, Kuvertüren und Kakaomassen. Die Beklagte belieferte die Schuldnerin mit den zur Fertigung von Süßwaren benötigten Rohprodukten. Den Lieferungen lagen, was erstinstanzlich unstreitig wurde, die AGB der Beklagten zugrunde, die einen umfassendem Eigentumsvorbehalt vorsehen. Der Eigentumsvorbehalt diente nicht nur der Sicherung sämtlicher bereits bestehender und zukünftiger Saldoforderungen der Beklagten aus Kontokorrent, sondern auch der Forderungen von Verbundunternehmen (wegen der Einzelheiten vgl. Bl. 49 d.A.). Bei den der Beklagten verbundenen Konzernunternehmen handelt es sich um die Firmen W. S. GmbH und die W. E. GmbH.
Nachdem die Schuldnerin drei Rechnungen der Beklagten vom Februar und März 2003 in Gesamthöhe von ca. 87.000 EUR (Bl. 18,19 d.A.) nicht begleichen konnte, gewährte ihr die Beklagte Zahlungsaufschub. Mit Schreiben vom 30.6.2003 bedankte sich die Schuldnerin für den Zahlungsaufschub und erläuterte die Gründe für den Liquiditätsengpass. Dem Schreiben war - wie vereinbart - ein Wechsel über 29.616,74 EUR beigegeben, der am 10.9.2003 zu Protest ging (Bl. 22, 23, 24 d.A.).
Mit Schreiben vom 19.9.2003 wies die Schuldnerin die Beklagte und andere Lieferanten auf eine wirtschaftliche Krise hin. Zur Vermeidung einer "ansonsten notwendigen Anzeige einer Zahlungsunfähigkeit beim AG" bat die Schuldnerin ihre Lieferanten um Unterstützung (Bl. 21 d.A.). Diese sollte darin bestehen, dass sämtliche Lieferanten sich bereit erklärten, auf alle bis dahin überfälligen Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen bis zum 31.12.2003 vorerst keine Zahlungen zu erhalten und dass sie sich wegen der gestundeten Forderungen mit langfristigen Ratenzahlungen einverstanden erklären. Alle "ab heute" bestellten Waren würden, so die Schuldnerin in dem Schreiben, im Rahmen der vereinbarten Zahlungsziele bezahlt.
Nach Erhalt des Schreibens kam es noch im September 2003 zu Gesprächen zwischen Mitarbeitern der Beklagten und der Schuldnerin über die Modalitäten einer Weiterbelieferung. Die Beklagte war nicht mehr bereit, die Schuldnerin wie bisher gegen Rechnung zu beliefern. Sie bestand auf Vorkassezahlungen und erklärte sich nur unter dieser Voraussetzung mit der Weiterbelieferung einverstanden. Im Oktober 2003 führten die Parteien Verhandlungen wegen der noch unbeglichenen Altrechnungen. Hierbei kam es zu einer von der Beklagten mit Schreiben vom 16.10.2003 bestätigten Vereinbarung. Die Schuldnerin verpflichtete sich darin zu Ratenzahlungen auf die Außenstände. Die Vereinbarung sah außerdem vor, dass ein von der W. E. GmbH an die Schuldnerin zu zahlender Betrag für die Lohnarbeit von Weihnachtsartikeln direkt an die Beklagte überwiesen wird (wegen der Einzelheiten vgl. das Bestätigungsschreiben der Beklagten Bl. 13 d.A.). In Erfüllung der Vereinbarung zahlte die Schuldnerin von Dezember 2003 bis Mitte Februar 2004 insgesamt 8.566,76 EUR an die Beklagte.
Die Beklagte belieferte die Schuldnerin ab September 2003 nur noch gegen Vorkasse. Die Schuldnerin leistete in der Zeit vom...