rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung des finanzgerichtlichen Mindeststreitwerts von 1000 EUR auf Verfahren der Aussetzung der Vollziehung
Leitsatz (redaktionell)
Der gesetzliche Mindeststreitwert im finanzgerichtlichen Verfahren (nach § 52 Abs. 4 GKG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes) ist auch für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anwendbar; durch den Ansatz des Mindeststreitwerts von 1000 EUR wird auch nicht die verfassungsrechtlich gewährleistete Rechtsschutzgarantie verletzt (hier: Kostenfestsetzung für von Rechtsanwalt geführtes Verfahren der Aussetzung der Vollziehung).
Normenkette
GKG § 52 Abs. 4, 1-2, § 53 Abs. 3 Nr. 3; FGO § 69 Abs. 3, 5, §§ 114, 128 Abs. 3; RVG § 2 Abs. 2, § 23 Abs. 1 S. 1
Tenor
I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der gesetzliche Mindeststreitwert auch für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zur Anwendung kommt.
Der Antragsteller (nachfolgend ASt) beantragte am 22. August 2005 bei dem Sächsischen Finanzgericht – geführt unter dem Aktenzeichen 1 V 1507/05 – die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides des Einspruchsführers (nachfolgend: Ef) vom 15. Juli 2005. Der Ef kündigte mit Schriftsatz vom 13. September 2005 an, eine Aussetzung der Vollziehung in Höhe von 3.821,76 EUR zu gewähren. ASt und Ef erklärten daraufhin das Aussetzungsverfahren für erledigt, das Gericht legte durch Beschluss vom 20. Oktober 2005 fest, dass die Kosten des Verfahrens von dem Ef zu 72 %, von dem ASt zu 28 % zu tragen sind.
Die Prozessbevollmächtigte des ASt beantragte die Kostenfestsetzung auf Grundlage eines Mindeststreitwertes von 1.000 EUR. Nach Ansicht des Ef ist der Streitwert des Verfahrens in Höhe von 10 % der Haftungssumme, mithin 531 EUR festzusetzen, der Mindeststreitwert von 1.000 EUR könne bei Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht angewendet werden, da die Sonderregelung für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 53 Abs. 3 Nr. 1, 3 GKG nur auf § 52 Abs. 1, 2 GKG verweise.
Am 10. Januar 2006 setzte die Kostenbeamtin des Finanzgerichts die zu erstattenden Kosten auf 130,29 EUR fest. Sie war bei der Bestimmung des Gegenstandswerts von der Anwendung des Mindeststreitwerts in Höhe von 1.000 EUR ausgegangen. Es war darauf eine Verfahrensgebühr für den Rechtsanwalt von 1,6 nach Nr. 3200 VV RVG angesetzt worden. Auf den Kostenfestsetzungsbeschluss wird im übrigen Bezug genommen (Bl. 31 f der Akte 1 V 1507/05). Der Ef legte am 23. Januar 2006 gegen den ihm am 11. Januar 2006 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss Erinnerung ein.
Seiner Ansicht nach ist die Regelung über den Mindeststreitwert nicht für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzuwenden, da die spezielle Vorschrift des § 53 GKG nur auf § 52 Abs. 1, 2 GKG verweise. Die Ef verweist auf einen Beschluss des Thüringer Finanzgerichts vom 3. August 2005 (IV 207/05, EFG 2005, 1563), in dem diese Rechtsauffassung geteilt wird. Die Gesetzesbegründung für die Einführung eines Mindeststreitwertes – der Bedeutung eines Finanzrechtsstreites auch für Folgejahre – treffe für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur bedingt zu. Eine systematische Auslegung führe dazu, dass bei Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kein Mindeststreitwert anzusetzen sei.
Mit Verfügung vom 9. Februar 2006 lehnte die Kostenbeamtin eine Abhilfe der eingelegten Erinnerung ab und legte die Akten dem für Kostensachen zuständigen Senat zur Entscheidung vor.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Erinnerung ist unbegründet. Für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vor dem Finanzgericht steht dem Prozessbevollmächtigten eine Verfahrensgebühr von 1,6 zu (1.). Es ist auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein Mindeststreitwert anzusetzen – im Streitfall bestehen hiergegen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (2.).
1. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Finanzgericht steht dem Anwalt eine Verfahrensgebühr in Höhe von 1,6 zu.
Zu den erstattungsfähigen Kosten nach § 139 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gehören die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist. Für den hier tätig gewordenen Rechtsanwalt bestimmen sich die erstattungsfähigen Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) gemäß § 2 Abs. 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG).
Unter Teil drei sind dort die Gebühren für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten, Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz und ähnliche Verfahren geregelt. Abschnitt eins des Teils drei regelt die Gebühren für Verfahren des ersten Rechtszugs. Die Verfahrensgebühr für den Anwalt beträgt danach grundsätzlich gemäß VV Nr. 3100 1,3. Abschnitt zwei des Teils drei regelt die Gebühren des Anwalts für die Berufung, Revi...