Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung an einen in Rumänien ansässigen Steuerpflichtigen
Leitsatz (redaktionell)
Das FA war nicht berechtigt, eine für eine in Bukarest ansässige Aktiengesellschaft rumänischen Rechts bestimmte Einspruchsentscheidung öffentlich zuzustellen, wenn es nach der Niederlegung des Mandats durch den anfangs im Einspruchsverfahren tätigen Steuerberater nicht einmal den Versuch unternommen hat, die AG selbst zur Benennung eines inländischen Empfangsbevollmächtigten aufzufordern, und auch kein Versuch einer Zustellung nach § 14 VwZG, über das auswärtige Amt, unternommen worden ist.
Normenkette
VwZG § 15 Abs. 1c, § 14; AO § 122 Abs. 5, §§ 366, 124 Abs. 1 S. 1, § 123; FGO § 69 Abs. 2-3
Tenor
I. Die Vollziehung der Lohnsteuer-Haftungsbescheide 1998 und 1999 vom 26. März 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2003 wird bis einen Monat nach Ergehen einer abschließenden Entscheidung des Finanzgerichts in dem Verfahren 3 K 1926/04 ausgesetzt.
II. Die Vollziehung des genannten Bescheides wird aufgehoben, soweit die Entstehung von Säumniszuschlägen betroffen ist.
III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Vollziehung eines öffentlich zugestellten Lohnsteuer-Haftungsbescheides auszusetzen ist.
Die Antragstellerin (nachfolgend: ASt) ist eine Aktiengesellschaft rumänischen Rechts („societate pe actiuni” – „SA”, vgl. Becker in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Rumänien, Anhang Rdnr. 8) mit Sitz in Bukarest, die in Deutschland im Bereich der Rohbauerstellung geschäftlich tätig wurde. Mit Schreiben des Finanzamtes (nachfolgend: FA Ma) vom 14. April 1997 wurde die ASt zur Benennung eines Empfangsbevollmächtigten im Inland aufgefordert. Die ASt benannte mit Schreiben vom 15. Mai 1997 den Steuerberater H.P. E aus W..
Mit Schreiben vom 23. April 2001 legte der damalige steuerliche Berater der ASt Einspruch gegen einen Lohnsteuerhaftungsbescheid des FA Ma vom 26. März 2001 ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Das FA Ma setzte am 20. September 2001 die Vollziehung eines Lohnsteuer-Haftungsbescheids 1997 mit Nebenleistungen bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 92.544,30 DM aus (Bl. 51 der Rechtsbehelfsakte). Gegen die Anordnung einer Sicherheitsleistung wandte sich die ASt mit Einspruch ihres damaligen steuerlichen Beraters vom 19. Oktober 2001.
Das Verfahren wurde sodann an den Antragsgegner (das Finanzamt C. -FA-) abgegeben. Das FA nahm mit Schreiben vom 18. Dezember 2001 die Aussetzung der Vollziehung vom 20. September 2001 zurück, da die von der Vollziehung ausgesetzte Lohnsteuer 1997 nicht festgesetzt worden sei. Die ASt sei vielmehr mit Bescheid vom 26. März 2001 durch das FA Ma für Lohnsteuer 1998 und 1999 in Höhe von gesamt 92.544,30 DM in Haftung genommen worden. Mit Verfügung vom 11. Januar 2002 setzte das FA die Vollziehung der Lohnsteuerhaftungsbescheide 1998 und 1999 in Höhe von 24.292,68 EUR und 23.024,49 EUR bis einen Monat nach Ergehen der Einspruchsentscheidung aus; eine Sicherheitsleistung wurde nicht angeordnet. Mit Schriftsatz ihres steuerlichen Beraters vom 20. Februar 2002 begründete die ASt ihren Einspruch weiter und verwies auf eine fehlende Steuerpflicht der ASt in Deutschland. Er wies darauf hin, dass die ASt sich nicht mehr in Deutschland befinde und hier auch keine Unterlagen mehr vorhanden seien. Die notwendige Beschaffung von Informationen von der ASt könne deshalb einige Wochen, wenn nicht Monate dauern (Bl. 130 f der RB-Akte). Die Sachbearbeiterin des FA vermerkte am 3. November 2003 über ein Telefonat mit dem Steuerberater der ASt, das Steuerbüro sei nicht für die ASt tätig, das FA solle sich an die ASt wenden, eventuell werde dann der Steuerberater beauftragt werden (Bl. 135 der RB-Akte). Mit Schreiben vom 5. November 20003 wandte sich das FA direkt an die ASt unter deren Adresse in Bukarest. Am 19. Dezember 2003 erließ das FA eine Einspruchsentscheidung. Hier wurde die Kirchensteuer aus den Haftungsbescheiden für Lohnsteuer 1998 und 1999 ausgenommen, im übrigen wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. In den Erledigungsvermerken wurde die Aufgabe der Einspruchsentscheidung zur Post am 19. Dezember 2003 vermerkt (Bl. 175 der RB-Akte). Am gleichen Tag verfügte das FA die
„Öffentliche Zustellung
Fa…
Rumänische Firma hat keinen Empfangsbevollmächtigten im Inland.
Der vorgenannten Person ist zuzustellen: Einspruchsentscheidung vom 19.12.2003 wegen Lohnsteuerhaftungsbescheiden 1998 und 1999.
Die Zustellung müsste außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes erfolgen ist aber unausführbar.
Der vorbezeichnete Bescheid wird deshalb nach § 15 Abs. 1 Verwaltungszustellungsgesetz öffentlich zugestellt und kann innerhalb zwei Wochen nach dem Tag des Aushangs gegen Vorlage eines gültigen Lichtbildausweises oder durch einen bevollmächtigten Vertreter im Zimmer 201 abgeholt werde...