rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine erneute Prüfung von Tatsachen und Rechtsfragen, die bereits Gegenstand der Einspruchsentscheidung waren, im Rahmen eines Antrags auf schlichte Änderung. Zulässigkeit einer auf einen Billigkeitserweis gerichteten Klage
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine schlichte Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO ist auch nach dem Ergehen der Einspruchsentscheidung möglich, wenn sie vor Ablauf der Klagefrist beantragt wurde. Dabei können jedoch Tatsachen und Rechtsfragen, über die in der Einspruchsentscheidung bereits entschieden worden ist, im Regelfall nicht erneut geprüft werden.
2. Eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen bildet ein gegenüber der Steuerfestsetzung eigenständiges Verwaltungsverfahren. Vor dessen Durchführung kann der Billigkeitserweis (hier die Zuordnung des Betreibers einer Biogasanlage zum verarbeitenden Gewerbe gemäß der mit BMF-Schreiben v. 21.2.2005, IV C 8 – InvZ 1.271 – 7/05, BStBl 2005 I S. 503 angeordneten Vertrauensschutzregelung) nicht zulässig Klagegegenstand sein.
Normenkette
AO § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, Sätze 2-3, § 163; FGO § 44 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Betrieb der Klägerin dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen ist und ob die Bescheide über Investitionszulage 2002 und 2003 zugunsten der Klägerin nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 und Satz 3 Halbsatz 1 Abgabenordnung – AO – zu ändern sind.
Die Klägerin betreibt eine Biogasanlage. Sie nimmt Klärschlamm und Bioabfall gegen Entgelt an und vergärt nach einer Aufbereitung das organische Material in einem Biogasreaktor. Das durch die Vergärung entstehende Methangas nutzt sie zur Verstromung und Wärmegewinnung. Die Gärreste veräußert sie zur Nutzung als Düngemittel oder zur weiteren Energiegewinnung. Ihrem Mehrheitsgesellschafter, dem Abwasserzweckverband Obere Röder gegenüber war die Klägerin gegen Kosten- bzw. Erlösausgleich tätig. Daneben nahm sie mit Gewinnerzielungsabsicht am allgemeinen Markt teil. Ihre hierbei erzielten Umsatzerlöse resultierten in den Streitjahren zu 76 % bzw. zu 69 % aus der Annahme organischen Materials.
Am 17.04.2004 bzw. am 13.09.2004 beantragte die Klägerin Investitionszulage für die Streitjahre. Diese Anträge lehnte das Finanzamt T. mit zusammengefasstem Bescheid vom 24.09.2004 ab, weil die Klägerin als Dienstleistungs- bzw. Energieversorgungsbetrieb nicht begünstigt sei.
Dagegen legte die Klägerin am 25.10.2004 Einsprüche ein. Sie wies darauf hin, dass ihre Tätigkeit vom Hauptzollamt T. nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 in die Klasse 37.20.5 „Recycling von sonstigen Altmaterialien und Reststoffen” ein- und damit dem verarbeitendem Gewerbe zugeordnet werde. Ferner legte sie ein Schreiben des Statistischen Landesamtes vom 03.02.2005 vor, nachdem ihr Betrieb entsprechend der Haupttätigkeit des Unternehmens dem Wirtschaftszweig 37.20.5 „Recycling von sonstigen Altmaterialien und Reststoffen” im Abschnitt D „Verarbeitendes Gewerbe” der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003, zuzuordnen sei.
Mit zusammengefasster Einspruchsentscheidung vom 13.04.2006 wies das Finanzamt T. die Einsprüche als unbegründet zurück. Dabei ging das Finanzamt T. von einem Mischbetrieb mit unterschiedlich einzuordnenden Tätigkeiten aus. Die Annahme von Klärschlamm (von Dritten) und von Bioabfall gegen Entgelt falle unter Abschnitt O „Erbringung von sonstigen öffentlichen und persönlichen Dienstleistungen” Ziffer 90.01.1 „Kläranlagen”, „Klärschlammbehandlung” bzw. unter Ziffer 90.02.4 „Biologische Abfallbeseitigung” „Abfallaufbereitung durch biologische Behandlung zum Zweck der Entsorgung, auch mit Gewinnung eines Nebenerzeugnisses (Biogas)”. Die Verarbeitung des angenommenen organischen Abfalls zu Gas und zu Gärrest und deren Weiterverwertung sei an sich ebenfalls Abschnitt O Ziff. 90.02.4 der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 zuzuordnen. Da allerdings die thermische Abfallbeseitigung bislang dem Abschnitt D „Verarbeitendes Gewerbe” Ziff. 37 „Recycling” zugeordnet worden sei, sei diese Zuordnung nach dem BMF-Schreiben vom 21.02.2005 IV C 8 – InvZ 1.271 – 7/05, BStBl I 2005, 503, aus Vertrauensschutzgründen für bis zum 28.02.2005 begonnene Investitionen beizubehalten. Allerdings liege entsprechend der Wertschöpfungsanteile der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin in der Annahme der organischen Abfälle, so dass die Klägerin insgesamt betrachtet gleichwohl kein Betrieb des verarbeitenden Gewerbes sei.
Am 16.05.2006 beantragte die Klägerin die Änderung der Investitionszulagenbescheide 2002 und 2003 jeweils vom 24.05.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.04.2006 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 und Satz 3 Halbsatz 1 AO. Die Klägerin sei nicht als Mischbetrieb einzustufen. Die Annahme von organ...