Entscheidungsstichwort (Thema)
„Herstellung der Mischwasserleitung” als Bestandteil des Anschlusses des Grundstücks an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage ist Handwerkerleistung nach § 35a EStG. Förderungsausschluss nach § 35a Abs. 3 S. 2 EStG für „öffentlich geförderte” Maßnahmen
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird ein bisher nur über eine Sickergrube verfügendes Wohngrundstück vom zuständigen Abwasserzweckverband an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage angeschlossen und wird für diese „Herstellung einer Mischwasserleitung” von dem Abwasserzweckverband ein „Baukostenzuschuss” erhoben, so steht dem Steuerpflichtigen für den in dem Zuschuss enthaltenen Arbeitskostenanteil die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen „in einem Haushalt” nach § 35a Abs. 3 EStG i. V. m. § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG zu.
2. Auch Kleinunternehmer i. S. d. § 19 UStG oder die öffentliche Hand, z.B. durch Zweckbetriebe, können steuerbegünstigte Handwerkerleistungen erbringen. Auf welcher Rechtsgrundlage die öffentliche Hand die Kosten (Heranziehungsbescheid, öffentlich-rechtlicher Vertrag, Rechnung) für einen Hausanschluss erhebt, ist insoweit ebenso unerheblich wie der Umstand, ob diese Leistung „eigenhändig” oder durch einen von ihr beauftragten bauausführenden Dritten erbracht wird.
3. Der Begriff „im Haushalt” ist räumlich-funktional auszulegen. Auch die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund erbracht werden, kann nach § 35a Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1 EStG begünstigt sein, sofern die Leistungen in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen.
4. Der Ausschluss der Steuervergünstigung nach § 35a Abs. 3 S. 2 EStG für öffentlich geförderte Maßnahmen greift nur, wenn der Steuerpflichtige selbst Empfänger der öffentlichen Förderung, wie zinsverbilligter Darlehen oder steuerfreier Zuschüsse, ist, nicht aber, wenn der Leistungserbringer (im Urteilsfall: Abwasserzweckverband) für die Maßnahme eine öffentliche Förderung erhält.
Normenkette
EStG 2012 § 35a Abs. 4 S. 1, Abs. 3 Sätze 1-2, Abs. 5 S. 2
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2012 vom 19.2.2014 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.1.2015 verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 19.2.2014 zu ändern und die Einkommensteuer der Kläger unter Berücksichtigung von Aufwendungen für Handwerkerleistungen i.S. des § 35a Einkommensteuergesetz in Höhe von 2.338 Euro festzusetzen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung eines als „Baukostenzuschuss” bezeichneten Rechnungsbetrages für die „Herstellung der Mischwasserleitung” als Bestandteil des Anschlusses des Grundstücks der Kläger an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage in Höhe von 60 % als Handwerkerleistung nach § 35a Einkommensteuergesetz (EStG) im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2012.
Die zusammen zur Einkommensteuer 2012 veranlagten Kläger sind seit 1993 als Eigentümer zu je ½ – in ehelicher Vermögensgemeinschaft – für das Flurstück A), L.-Str., mit aufstehendem Wohngebäude, welches in den Jahren 1983 bis 1985 erbaut wurde, im Grundbuch von D., Blätter 4422 und 3958, eingetragen. Die Kläger nutzen das Einfamilienhaus seit Mai 1985 zu eigenen Wohnzwecken. Das Abwasser wurde seit 1993 über eine Sickergrube auf dem Grundstück entsorgt.
In den Monaten Juli 2011 bis Oktober 2011 schloss der zuständige Abwasserzweckverband D.-T. das Grundstück der Kläger an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage an.
Mit Bescheid vom 5.12.2011 (Reg.-Nr. AW 2011/211) forderte der Abwasserzweckverband D.-T. die Kläger auf, ihre bisher genutzte Grundstückskläranlage, wobei auch abflusslose Gruben gemeint waren, binnen 6 Monaten, bis zum 5.6.2012, fachgerecht außer Betrieb zu setzen. Unter Ziffer 2. enthält der Bescheid folgende Erläuterung:
Der Abwasserzweckverband D.-T. schloss Ihr Grundstück an die zentrale sowie die Nachbargrundstücke an die zentrale Kläranlage an. Hierzu waren folgende Arbeiten notwendig:
Erneuerung des bestehenden öffentlichen Mischwasserkanals im Bereich der unteren Bebauung der L.-Str., ab Bahnübergang bis zum Ende der Bebauung in Höhe der Grundstücke L.-Str.92 a und 92 b.
Neuverlegung einer Mischwasserleitung in der L.-Str.zwischen der unteren und oberen Bebauung, in welcher sich Ihr Grundstück befindet.
Inlinersanierung des bestehenden öffentlichen Mischwasserkanals, welcher unter anderem in Ihrem Grundstück verläuft.
Herstellen der Verbindung des sanierten Mischwasserkanals und der neu verlegten Mischwasserleitung.
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