Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlustberücksichtigung nach § 8 Abs. 4 KStG 2002 nach Verschmelzung der Muttergesellschaft auf die Holding-Tochtergesellschaft. Zuführung neuen Betriebsvermögens bei der Verschmelzung. Branchenwechsel. Sanierungsfall nur bei Sanierung der Verlustgesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Erwirbt eine GmbH innerhalb kurzer Zeit 100 % der Aktien einer Holding-AG, deren 100 %-ige Tochtergesellschaften Blutbanken betreiben und wird die nunmehrige Muttergesellschaft der Holding-AG acht Monate später auf die Holding-AG unter Zuführung – vermindert um die Anteile der Holding – neuen Betriebsvermögens verschmolzen, sind die von der Holding-AG vor der Anteilsübernahme erzielten Verluste gem. § 8 Abs. 4 KStG 2002 nicht abzugsfähig. Der Erwerb der Aktien durch die GmbH führt gleichzeitig zum Erwerb der Tochtergesellschaften, so dass ein Branchenwechsel vorliegt, wenn die Holding-AG nach der Verschmelzung ihren Geschäftsbetrieb des Haltens von Beteiligungen nur noch im stark verminderten Umfang fortführt und vor allem nunmehr den – zuvor von den Tochtergesellschaften (im Folgenden Enkelgesellschaften) betriebenen – Handel mit Blutpräparaten unterhält.
2. Bei einer Abwärtsverschmelzung von der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft, welche die Verlustgesellschaft ist, sind die Anteile der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft vor der Verschmelzung nicht als neues Betriebsvermögen i. S. d. § 8 Abs. 4 KStG anzusehen. Erfolgt zugleich eine Aufwärtsverschmelzung, ist das Vermögen der Enkelgesellschaften, die keine Organ- oder Personengesellschaften sind, nicht mit in das Vergleichsvermögen einzubeziehen.
3. Dient die Abwärts- und Aufwärtsverschmelzung nicht der Sanierung der Verlustgesellschaft, sondern der Enkelgesellschaften, deren Geschäftsbetrieb des Bluthandels auch fortgeführt wird, liegt kein Sanierungsfall vor, so dass die Zuführung neuen Betriebsvermögens durch die Verschmelzung der Muttergesellschaft auf die Verlustgesellschaft gem. § 8 Abs. 4 KStG 2002 der Nutzung des Verlustvortrags der Verlustgesellschaft entgegensteht.
4. Die Anwendung von § 8 Abs. 4 KStG ist nicht nur auf Missbrauchsfälle beschränkt. Auch wenn – wie im Streitfall – Umstrukturierungen vorgenommen werden, die nicht lediglich der Nutzung von anderweitig entstandenen Verlusten dienen, kann es nach dieser Vorschrift zu einem Verbot des Verlustabzuges kommen.
Normenkette
KStG 2002 § 8 Abs. 4
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung von Verlusten von Tochtergesellschaften, die auf die Muttergesellschaft verschmolzen wurden.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, die mit notariell beurkundeter Satzung vom 25. Januar 1999 als H Holding AG gegründet wurde. Aktionäre waren zunächst die Herren A, B, C, D und E. Gegenstand des Unternehmens war bis zum 21. August 2002 die Beteiligung an Blutbanken sowie Laborgesellschaften und die Schaffung von Voraussetzungen zum Betrieb von Blutbanken. Sie hielt im Jahr 2001 Beteiligungen zu 100% an der
- H F GmbH,
- H G GmbH,
- H H GmbH,
- H I GmbH,
- H J GmbH und
zu 52% an der H K GmbH.
Am 23. Mai 2001 unterbreitete die L D GmbH den Aktionären der Klägerin ein Übernahmeangebot, dem die Aktionäre der Klägerin einstimmig am 29. Mai 2001 zustimmten. Mit Vertrag vom 20. Dezember 2001 erwarb die L D GmbH 16,67% der Aktien der Klägerin und mit Vertrag vom 2. Januar 2002 dann die restlichen Aktien. Gesellschafter der L D GmbH sind die Herren M und N. Am 10. Juli 2002 gab die Klägerin eine Verlustübernahmeerklärung gegenüber ihren Tochtergesellschaften ab. Mit notariellem Vertrag vom 21. August 2002 wurde die L D GmbH auf die Klägerin unter Übertragung ihres Vermögens im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme rückwirkend zum 1. Januar 2002 verschmolzen. Am selben Tag wurden die H GmbH in I, G und H sowie die H J Gesellschaft mbH auf die Klägerin verschmolzen. Am 22. Oktober 2002 erfolgte die Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister, weitere Eintragungen der Verschmelzungen der Beteiligungsgesellschaften der Klägerin erfolgten bis zum 3. Juli 2003. Im Jahr 2002 erwarb die Klägerin eine 100%ige Beteiligung an der B K GmbH durch Verschmelzung. Nach der Verschmelzung waren Aktionäre der Klägerin die Herren N mit 90,12% und M mit 9,88%. Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 21. August 2002 wurde der Gegenstand des Unternehmens geändert und die Klägerin in H AG umbenannt. Gegenstand des Unternehmens ist nunmehr der Betrieb von Blutspendendiensten, labormedizinische Untersuchungen der Humanmedizin, der Veterinärmedizin und des Umweltschutzes, der Großhandel mit Arzneimitteln, die Entwicklung und Anwendung von Verfahren zur Abtrennung von Blutbestandteilen zu therapeutischen Zwecken und die Erbringung von Beratungsdienstleistungen im Bereich der Laboratoriums- und Transfusionsmedizin. Die Klägerin erzielt m...