Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch einer polnische Pflegekraft
Leitsatz (redaktionell)
1. Beansprucht eine polnische Staatsangehörige, welche im Inland bei unterschiedlichen Arbeitgebern als Haushaltshilfe bzw. Pflegekraft tätig ist, Kindergeld für ihren in Polen lebenden Sohn, von dessen ebenfalls in Polen lebenden Vater die Antragstellerin geschieden ist, besteht kein Anspruch auf Kindergeld, wenn kein Nachweis für das Innehaben einer Wohnung im Inland bzw. einen gewöhnlichen Aufenthalt erbracht wird, keine Einkommensteuerveranlagung nach § 1 Abs. 3 EStG erfolgt und nicht dargelegt wird, ob in Polen ein Anspruch auf Kindergeld oder vergleichbare Leistungen bestanden hat.
2. Die Prüfung des Anspruchs auf deutsches Differenzkindergeld gem. Art. 68 Abs. 2 S. 2 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 erfordert Angaben, inwieweit ein Anspruch auf polnisches Familiengeld besteht und dieser Anspruch ausschließlich durch den Wohnort des Kindes ausgelöst wird.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1 Nrn. 1, 2 Buchst. b, § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 1 Abs. 3; AO §§ 8, 90 Abs. 2; EGV 883/2004 Art. 68 Abs. 2 S. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens fallen der Klägerin zur Last.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum 11/2010 – 1/2011, 3 – 4/2011 und 6/2011.
Die Klägerin ist polnische Staatsangehörige. Ihr am 10. Mai 1993 geborener Sohn lebt in Polen. Der Kindsvater ist von der Klägerin geschieden.
Der Beklagte hat den Kindergeldantrag vom 18. Juli 2011 am 19. Dezember 2011 abgelehnt. Über den dagegen eingelegten Einspruch ist noch nicht entschieden. Die Klägerin ist der Auffassung, einen Kindergeldanspruch zu haben, da sie seit November 2010 bei unterschiedlichen Arbeitgebern im Inland als Haushaltshilfe / Pflegekraft gearbeitet habe. Eine polizeiliche Meldung könne nicht vorgelegt werden. Für die Monate November 2010 bis Januar 2011 ergebe sich aus den Unterlagen, dass ihr vom Lohn die Kosten ihres Zimmers abgezogen worden seien. Bis auf eine Bestätigung der Tochter des verstorbenen Arbeitgebers über die Gesamtdauer der Haushaltshilfetätigkeit liegen keine weiteren Unterlagen für die übrigen Zeiträume vor. Für den Umstand, dass weder sie noch der Kindsvater in Polen Kindergeld bezogen hätten, werden polnische Bescheinigungen vorgelegt. Bescheinigungen über die Höhe der Renteneinkünfte des Kindsvaters, der Berufssoldat gewesen sein und (nur) Leistungen aus der Rentenversicherung für Berufssoldaten erhalten soll, könne die Klägerin nicht vorlegen, da der Kindsvater dazu nicht bereit sei.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 19. November 2011 die Beklagte zu verpflichten, ihr für den Zeitraum 11/2010 – 1/2011, 3 – 4/2011 und 6/2011 Kindergeld für ihr am 10. Mai 1993 geborenes Kind zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass Kindergeld nicht gewährt werden könne, da nicht nachgewiesen sei, dass die Klägerin vorrangig kindergeldberechtigt gewesen sei. Der Kindsvater in Polen sei vorrangig kindergeldberechtigt. Offen sei auch, ob ihr gegebenenfalls nur Differenzkindergeld zustehe. Die Klägerin habe bislang nur Nachweise vorgelegt, dass kein Kindergeld in Polen bezogen worden sei. Entscheidend sei jedoch, ob in Polen ein Anspruch auf Kindergeld bestanden habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten darauf verzichtet haben.
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kindergeld, da sie die Voraussetzungen nicht nachgewiesen hat.
Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass sie für die streitigen Monate die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt. Insbesondere liegen für den Nachweis des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes kaum Anhaltspunkte vor. Für den Nachweis des Wohnsitzes durch Innehaben einer Wohnung (§ 8 AO) wäre die Vorlage eines Mietvertrages o.ä. über eine Wohnung erforderlich. Ersichtlich ist nur, dass die Klägerin zeitweise über ein Zimmer verfügte. Für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes (§ 9 AO) fehlt es an Nachweisen über Umstände, die erkennen lassen, dass die Klägerin nicht nur vorübergehend im Inland verweilte. Zwar war sie mehr ca. 900 km von ihrem polnischen Wohnort K. (K.) tätig. Allerdings war das Beschäftigungsverhältnis nach Angaben der Klägerin auch in den Monaten Februar und Mai 2011 unterbrochen, so dass sie nur vorübergehend im Inland verweilt haben könnte. Das Kindergeld dient als Sozialleistung der Förderung der Familie (§ 31 Satz 2 EStG). Es ist ein Instrument der nationalen Familienpolitik. Dass der Gesetzgeber hierbei das Kindergeld nur solchen Personen gewähren will, die eine hinreichend enge Bindung zu Deutschland eingegangen sind, lässt sich ohne weiteres den in § 62 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG geregelten Berechtigungstatbeständen entnehmen. Dies...