Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 9 AO 1977. Steuerrate 1990
Leitsatz (redaktionell)
Die Jahresfrist des § 171 Abs. 9 AO 1977 beginnt erst mit Eingang der Selbstanzeige bei der sachlich und örtlich zuständigen Finanzbehörde.
Normenkette
AO 1977 § 171 Abs. 9, §§ 371, 6 Abs. 2, § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 169 Abs. 2 S. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Festsetzungsfrist für die Steuerrate 1990 abgelaufen ist.
Der Kläger gab gemeinsam mit seiner Ehefrau am 27. Dezember 1991 beim Beklagten die Einkommensteuererklärung für das Jahr 1990 ab. Die Steuerrate wurde mit DM 139.782 ermittelt. Im Jahr 1991 zog er von L. nach N. und wurde seitdem vom Finanzamt – FA – N. veranlagt. Am 10. Mai 2001 teilte der Kläger durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten dem FA für Fahndung und Strafsachen B. mit, dass er im Jahr 1990 eine Einnahme von US-Dollar (USD) 80.629,20 (entsprach DM 119.556,98) als Provision erhielt, aber nicht versteuert hatte. Am 24. August 2001 übermittelte das FA B.dem Beklagten den Sachverhalt und übersandte die ihm übergebenen Unterlagen (Bl. 38 – 40 der ESt-Akte). Am 8. August 2002 erließ der Beklagte einen Bescheid für 1990 und setzte die Steuerrate für das 1. Halbjahr auf 50.065 Mark und für das 2. Halbjahr auf DM 186.669 fest. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2004 zurückgewiesen, wogegen sich die vorliegende Klage wendet.
Der Kläger ist der Auffassung, dass der Bescheid vom 8. August 2002 nicht hätte ergehen dürfen, da die Festsetzungsfrist abgelaufen gewesen sei. Die Frist habe mit Eingang der Selbstanzeige beim FA B.am 10. Mai 2001 begonnen und habe am 11. Mai 2002 geendet. Maßgeblich für den Fristbeginn des § 371 Abs. 1 Abgabenordnung – AO – sei der Eingang „bei der Finanzbehörde”, wobei gem. § 6 AO darunter nicht nur die örtlichen FA, sondern im Streitfall auch das FA B.fielen. Die teilweise in der Literatur vertretene Auffassung, nur die Abgabe der Selbstanzeige bei der örtlich und sachlich zuständigen Behörde sei wirksam, gehe fehl. Denn eine Selbstanzeige solle dem Bürger so einfach wie möglich gemacht werden. Ferner sei zu beachten, dass das FA vom Kläger direkt eine Nacherklärung angefordert habe, die nach B.gesendet werden sollte. Dem sei der Kläger nachgekommen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 8. August 2002 über die Steuerrate 1990 sowie die Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2004 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung der Auffassung, dass die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Die Selbstanzeige sei bei der sachlich und örtlich zuständigen Finanzbehörde einzureichen, was sich aus dem Rechtscharakter der Selbstanzeige ergebe (Tipke/Kruse, § 171 AO, Tz. 85). Die in §§ 16 bis 29 AO geregelte Zuständigkeit der FA beinhalte die Zuständigkeit für alle vergangenen Zeiträume. Gem. § 1 des Art. 97 a des Einführungsgesetzes zur AO – EGAO – verbleibe es bei der Zuständigkeit des FA, welches im Jahr 1990 zuständig gewesen sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der Rechtsbehelfs- und der ESt-Akte verwiesen. Die Beteiligten haben auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten gem. § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO – darauf verzichtet hatten.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 8. August 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Der Beklagte konnte den Bescheid über die Steuerrate am 8. August 2002 erlassen, da die Festsetzungsverjährung für die Steuerrate 1990 noch nicht eingetreten war. Gem. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung eingereicht wird; die Festsetzungsfrist beträgt nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO im Fall der Steuerhinterziehung zehn Jahre. Danach begann im Streitfall die Festsetzungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 1991, ohne Ablaufhemmung hätte sie am 31. Dezember 2001 geendet. Dass eine Steuerhinterziehung vorlag und deshalb die verlängerte Festsetzungsfrist von 10 Jahren zur Anwendung kommt, ist angesichts der Selbstanzeige des Klägers nicht zweifelhaft und wird von der Klägerseite auch nicht in Abrede gestellt.
a) Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob die Festsetzungsverjährung durch die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 9 AO über den 8. August 2002 hinausgeschoben wurde. Nach § 171 Abs. 9 AO endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang einer Selbstanzeige u. a. nach § 371 AO des Steuerpflichtigen. Der Kläger erstattete eine Selbstanzeige am 10. Mai 2001 beim FA für Fahndung und Strafsachen B., welches den Vorgang am 24....