Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung. Rückforderung der Erstattungsbeträge. Auslegung von § 11 Abs 1 Nr 1 und § 4 AufAG
Leitsatz (amtlich)
1. § 4 AAG (juris: AufAG) ist lex specialis zu § 50 iVm §§ 45, 48 SGB 10 (Anschluss an das zum gleichlautenden § 11 LFZG ergangene Urteil des BSG vom 25.9.2000 - B 1 KR 2/00 R = SozR 3-7860 § 11 Nr 1).
2. Im Wege der juristischen Auslegungsmethoden ergibt sich, dass sich das Tatbestandsmerkmal der Tarifgebundenheit in § 11 Abs 1 Nr 1 AAG (juris: AufAG) nur auf Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen bezieht.
Normenkette
AufAG § 11 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 2 S. 1; SGB X §§ 50, 45, 48; LFZG § 18 Nr. 1; SächsPRG § 27 Abs. 1 S. 1, § 28; GG Art. 5 Abs. 1 S. 2; SächsPRG § 28 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 30. Juni 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
III. Der Streitwertbeschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 8. Juli 2011 wird aufgehoben.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rückforderung von Erstattungsbeträgen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG).
Die Klägerin ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts und hinsichtlich der für die Beschäftigten des Bundes, der Länder oder der Gemeinden geltenden Tarifverträge nicht tarifgebunden. Sie hat weniger als 30 Mitarbeiter und unterlag ab 1. Januar 2003 nicht der "Umlagepflicht U1 und U2". Ab 1. Januar 2006 wurde sie durch die Beklagte rückwirkend der Umlagepflicht U1 unterworfen, nachdem sie am 22. Dezember 2006 Anträge auf Erstattung nach dem AAG für Arbeitgeberaufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit - U1 - gestellt hatte.
Durch Bescheid vom 13. März 2007 forderte die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland von der Klägerin anlässlich einer Betriebsprüfung die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2005. In diesem Bescheid führte sie unter anderem aus, für einen beschäftigten Arbeiter (Hausmeister) seien im Zeitraum von November 2003 bis Dezember 2005 keine Beiträge zum Umlageverfahren U1 nachgewiesen und abgeführt worden; die Nachberechnung erfolge einschließlich Säumniszuschlägen.
Durch Anträge vom 7. Januar 2008 (betreffend die Beschäftigten E… M… [Erstattungen wegen Arbeitsunfähigkeit vom 12. Februar 2007 bis 2. März 2007 sowie am 11. Juni 2007 und am 29. Mai 2007], U… K… [Erstattung wegen Arbeitsunfähigkeit vom 13. März 2007 bis 15. März 2007] und J… S… [Erstattung wegen Arbeitsunfähigkeit vom 23. Februar 2007 bis 5. April 2007]) und vom 23. April 2009 (betreffend die Beschäftigte E… M… [Erstattung wegen Arbeitsunfähigkeit am 1. Dezember 2008]) beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen bei Krankheit. Im Unterschriftsfeld des Antragsformulars heißt es vor der Unterschriftszeile unter anderem:
"Die Erstattung erfolgt unter dem Vorbehalt der späteren Prüfung."
Die Beklagte zahlte aufgrund dieser Anträge einen Betrag von insgesamt 4.454,77 EUR an die Klägerin. Darüber hinaus hatte sie bereits für die Beschäftigte U… K… für die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vom 18. Dezember 2006 bis 22. Dezember 2006, 21. August 2006 bis 25. August 2006, 8. Juni 2006 bis 12. Juni 2006, 20. April 2006 bis 26. April 2006 sowie vom 13. März 2006 bis 17. März 2006 und für den Beschäftigten J… S… für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 15. Februar 2006 bis 29. März 2006 einen Betrag von insgesamt 4.694,41 EUR gezahlt; dem hatten fünf Anträge vom 22. Dezember 2006 und ein Antrag vom 17. Januar 2007 zu Grunde gelegen. Für die Zeit vom 15. Februar 2006 bis 1. Dezember 2008 nahm die Beklagte insgesamt Zahlungen von (4.454,77 EUR + 4.694,41 EUR =) 9.149,18 EUR vor. Die Erstattung wegen Arbeitsunfähigkeit der Beschäftigten E… M… am 1. Dezember 2008 belief sich auf 71,16 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 30, 40 und 59 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Mit Schreiben vom 3. Juli 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, es werde beabsichtigt, die vorliegenden Erstattungsanträge abzulehnen sowie die für die Kalenderjahre 2006 bis 2008 bereits zu Unrecht geleisteten Erstattungsbeträge in Höhe von insgesamt 9.149,18 EUR zurückzufordern. Die Klägerin sei eine juristische Person des öffentlichen Rechts (Anstalt), so dass die Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 1 AAG eingreife. Dies habe zur Folge, dass die Klägerin von der Teilnahme am Ausgleichsverfahren U1 ausgeschlossen sei. Gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) werde die Möglichkeit gegeben, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern.
Mit Schreiben vom 28. Juli 2009 teilte die Klägerin der Beklagten mit, es treffe zwar zu, dass die Klägerin eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts sei. Dies genüge aber nicht, um das Vorliegen des Ausna...