0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Der Inhalt der Vorschrift war zuvor in § 181 a. F. geregelt. § 181 a. F. ist mit dem Dritten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 23.12.2003 (BGBl. I S. 1848) zum 1.1.2004 redaktionell geändert worden (Ersetzung des Wortes "Bundesanstalt" durch "Bundesagentur"). Die Vorschrift ist zuletzt durch Art. 2 Nr. 18 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt v. 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854) zum 1.4.2012 geändert worden. Dabei sind die ehemals in den Vorschriften der §§ 169 ff. enthaltenen Regelungen zum Kurzarbeitergeld (Kug) nun in die §§ 95 ff. überführt worden, ohne dass es dabei zu wesentlichen Änderungen gekommen wäre (vgl. BT-Drs. 17/6277, Begründung zu Art. 2 Nr. 18 S. 102).
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift enthält Einzelheiten zur Rechtsstellung des Arbeitgebers bei der Kug-Bewilligung. Abs. 1 bestimmt, dass der Arbeitgeber das Kug nicht an Unterhaltsverpflichtete des Arbeitnehmers abzuführen hat. Abs. 2 erklärt den Arbeitgeber für die Zwangsvollstreckung in den Anspruch auf Kug als Drittschuldner. Die Vorschrift regelt in Abs. 3 die Konsequenzen von zu Unrecht geleistetem Kug. Abs. 4 regelt die Pflicht zur Rückzahlung der Kug-Beträge aus der Insolvenzmasse an die Agentur für Arbeit als Insolvenzgläubigerin.
2 Rechtspraxis
2.1 Verletzung der Unterhaltspflicht (Abs. 1)
Rz. 3
§ 48 SGB I bestimmt, dass laufende Geldleistungen grundsätzlich an Ehegatten und Kinder des Berechtigten ausgezahlt werden, wenn dieser seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nachkommt. Nach Abs. 1 ist § 48 SGB I zur Auszahlung von Leistungen bei Verletzung der Unterhaltspflicht auf das Kug nicht anzuwenden. Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Arbeitgeber nicht gehalten werden soll, familienrechtliche Verpflichtungen des Arbeitnehmers zu überprüfen (Baar/Mutschler, in: NK-SGB III, § 108 Rz. 6). Dies bedeutet, dass an den unterhaltsberechtigten Ehegatten oder die Kinder des Leistungsberechtigten kein Kug ausgezahlt werden kann. Gleiches gilt für Zahlungen gegenüber den Unterhaltsvorschusskassen oder Sozialämtern.
2.2 Abtretung und Verpfändung (Abs. 2)
Rz. 4
Die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Kug können im Rahmen der §§ 53 bis 55 SGB I gepfändet, verpfändet oder übertragen werden. Das Kug als Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Sozialleistung unterliegt unter den Voraussetzungen des § 54 Abs. 2 SGB I der Pfändung. § 54 Abs. 3 ist nicht anwendbar, weil das Kug keine laufende Leistung ist. Für die Zwangsvollstreckung in den Anspruch auf Kug gilt nach Abs. 2 Satz 1 der Arbeitgeber als Drittschuldner (Kühl, in: Brand, SGB III, § 108 Rz. 5). Die Pfändung des Kug kann daher nur mit Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Arbeitgeber wirksam betrieben werden. Ist der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bei der Agentur für Arbeit eingegangen, genügt für eine wirksame Pfändung die Weiterleitung des Beschlusses an den Arbeitgeber nicht (ebenso: Kühl, in: Brand, SGB III, § 108 Rz. 5). Voraussetzung für eine wirksame Pfändung ist vielmehr, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss dem Drittschuldner – also dem Arbeitgeber – selbst zugestellt wird. Die Forderung des Arbeitnehmers auf Zahlung von Kurzarbeitergeld gegenüber der Bundesagentur für Arbeit wird von § 108 Abs. 2 erfasst. Die Forderung kann deshalb nach der Praxis der Arbeitsverwaltung nicht vom Gläubiger des Arbeitgebers gepfändet oder von ihm an Dritte abgetreten werden (Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 108 SGB III, Stand: 12/2018).
Rz. 5
Der Anspruch des Arbeitgebers gegen die Arbeitsverwaltung auf Zahlung des verauslagten Kug fällt nicht unter Abs. 2. Hat der Arbeitgeber das Kug bereits an den Arbeitnehmer ausgezahlt, ist der Anspruch des Arbeitnehmers durch Erfüllung erloschen. Ein danach an den Arbeitgeber zugestellter Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wirkt damit nicht mehr. Eine Kontopfändung beim Arbeitgeber ist durch § 108 Abs. 2 nicht ausgeschlossen (Mutschler, in: NK-SGB III, § 108 Rz. 10). Hat der Arbeitgeber dagegen das Kug noch nicht verauslagt, ist eine Pfändung des auf dem Konto des Arbeitgebers überwiesenen und zur Zahlung an die Arbeitnehmer bestimmten Kug möglich. Voraussetzung ist aber, dass die Beträge dem Geschäftskonto des Arbeitgebers gutgeschrieben und damit in das Geschäftsvermögen des Arbeitgebers übergegangen sind (Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 108 SGB III, Stand 12/2018). Hier greift aber § 55 SGB I, wonach ein 7-tägiger Kontopfändungsschutz gilt. Dies hat zur Folge, dass die Gutschrift erst nach Ablauf des Pfändungsschutzes von 7 Tagen gepfändet werden kann.
Rz. 6
Hat die Agentur für Arbeit aufgrund eines ihr zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses Leistungen an den Gläubiger des Arbeitgebers gezahlt und stellt sich heraus, dass der Arbeitgeber das Kug nicht an die Arbeitnehmer verauslagt hat und damit ein Erstattungsanspruch des Arbeitgebers nicht bestanden hat, ist die Agentur für Arbeit insoweit zur Aufhebung des Bewilligungsbescheides und zur Förderung der Erstattung gegenüber dem Arbeitgeber und dem Pfändungsgläubiger gleichermaßen...