Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bestimmtheit von Aufhebungs- und Rückforderungsbescheiden. Bedarfsgemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Hat eine Bedarfsgemeinschaft zu Unrecht Leistungen erhalten, ist der an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen adressierte Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid hinsichtlich seiner Person ausreichend bestimmt iS des § 33 SGB 10.
2. Ob die Beklagte von ihm die gesamte Überzahlung zurückfordern kann oder inwieweit auch die anderen Personen der Bedarfsgemeinschaft in Anspruch zu nehmen sind, ist eine Frage des materiellen Rückforderungsrechts; der erwerbsfähige Hilfebedürftige ist verpflichtet, nur den auf ihn entfallenden Teil der Überzahlung zurückzuzahlen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 17. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem die Beklagte überzahltes Arbeitslosengeld II zurückfordert.
Der 1967 geborene Kläger lebt mit seiner Ehefrau (geboren 1973) und seinen Kindern (geboren 1998 und 2001) in häuslicher Gemeinschaft. Auf seinen Antrag vom 29. Juni 2005 hin gewährte die Beklagte der Familie mit an den Kläger gerichteten Bescheid vom 8. August 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für den Zeitraum 1. bis 31. Juli 2005 in Höhe von 285,43 EUR und für den Zeitraum 1. August bis 31. Dezember 2005 in Höhe von monatlich 389,26 EUR. Dabei ging die Beklagte für den Monat Juli 2005 von einem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1.425,93 EUR aus (620,00 EUR Regelleistung für erwerbsfähige Hilfebedürftige, 414,00 EUR Sozialgeld für nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige, anerkannte Kosten der Unterkunft 398,93 EUR). Dem stand ein zu berücksichtigendes Gesamteinkommen in Höhe von 1.140,50 EUR gegenüber (der Kläger bezog in diesem Monat 476,17 EUR Arbeitslosengeld und 180,40 EUR Krankengeld. Seitens der Ehefrau war ein Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung in Höhe von 173,93 EUR berücksichtigt. Außerdem wurde für die beiden Kinder insgesamt 308,00 EUR Kindergeld gewährt). In den Monaten August bis Dezember 2005 betrug der monatliche Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft 1.421,62 EUR (622,00 EUR Regelleistung für erwerbsfähige Hilfebedürftige, Sozialgeld für nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige 414,00 EUR und anerkannte Kosten der Unterkunft 385,62 EUR). Dem stand ein zu berücksichtigendes Gesamteinkommen in Höhe von 1.032,36 EUR monatlich gegenüber (Leistungen an den Kläger seitens der Agentur für Arbeit in Höhe von 531,30 EUR, zu berücksichtigendes Erwerbseinkommen der Ehefrau in Höhe von 193,06 EUR und Kindergeld in Höhe von 308,00 EUR).
Mit Änderungsbescheiden der Agentur für Arbeit vom 12. August 2005 und vom 23. September 2005 bewilligte die Agentur für Arbeit Kiel dem Kläger rückwirkend seit dem 5. Juli 2005 Arbeitslosengeld in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 33,42 EUR (= monatlich 1.002,16 EUR) bzw. 39,37 EUR (= monatlich 1.181,10 EUR).
Mit ausschließlich an den Kläger gerichteten Aufhebungsbescheid vom 31. Oktober 2005 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Zeit ab dem 1. Juli 2005 gemäß § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) aufgrund des höheren Anspruchs auf Arbeitslosengeld auf. Das zu Unrecht gezahlte Arbeitslosengeld II in Höhe von 1.842,47 EUR für den Zeitraum 1. Juli bis 30. November 2005 sei vom Kläger zu erstatten.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 9. Dezember 2005 Widerspruch und machte zur Begründung geltend: Anspruchsgrundlage sei nicht § 48 SGB X sondern § 45 SGB X. Der Kläger genieße Vertrauensschutz gemäß § 45 Abs. 2 SGB X. Darüber hinaus wären im Falle der Anwendbarkeit des § 48 SGB X abweichend von § 50 SGB X nach § 40 Abs. 3 SGB II 56 % der nach § 19 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 sowie § 28 SGB II berücksichtigten Kosten für Unterkunft und Wohnung nicht zu erstatten. Der Erstattungsbetrag reduziere sich damit auf 1.024,40 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2006 setzte die Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 31. Oktober 2005 die Rückforderung auf 1.024,41 EUR fest und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Zur Begründung führte sie aus: Entgegen der Ansicht des Klägers sei § 48 SGB X anwendbar, da der im Streit stehende Bewilligungsbescheid sich auch auf die Zeit nach seiner Bekanntgabe beziehe und somit ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung sei. Die Aufhebung für die Vergangenheit richte sich vorliegend nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Ein Vertrauensschutz sei nicht zu prüfen. Gemäß § 40 Abs. 2 SGB II seien abweichend von § 50 SGB X jedoch 56 v. H. der bei der Leistung nach § 19 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 sowie § 28 berücksichtigten Kosten für Unterkunft, mit Ausnahme der Kosten für Heizung und Warmwasserversorgung (818,06 EUR) nicht zu erstatten.