Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des Arbeitslosengelds. Bemessungszeitraum. rückwirkende Abrechnung einer Provisionszahlung während des Krankengeldbezugs
Orientierungssatz
Eine im Wege der nachträglichen Vertragserfüllung während des Beschäftigungsverhältnisses entstandene und nach dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis tatsächlich zugeflossene Provisionszahlung ist bei der Bemessung des Arbeitslosengelds einzubeziehen.
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 19.02.2020 aufgehoben.
2. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 27.07.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2017 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 30.06.2017 bis zum 29.06.2019 höheres Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung der im Juli 2016 abgerechneten Provisionsleistungen in Höhe von insgesamt 19.713,51 EUR zu bewilligen.
3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (ALG) für die Zeit vom 30. Juni 2017 bis zum 29. Juni 2019. Streitig ist zwischen den Parteien, ob die im Juli 2016 rückwirkend abgerechneten und Ende Oktober/Anfang November 2016 zur Auszahlung gelangten Provisionszahlungen in Höhe von 19.713,51 EUR brutto bei der Berechnung des ALG zu berücksichtigen sind.
Der 1956 geborene Kläger war seit 15. August 2010 als Immobilienvermittler bei der N GmbH sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das Bruttogehalt betrug 1.300,00 EUR monatlich bei einer wöchentlichen Regelarbeitszeit von 40 Stunden zuzüglich Provisionszahlungen. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch arbeitgeberseitige Kündigung vom 18. Mai 2016 zum 31. Juli 2016. Gleichzeitig stellte die Arbeitgeberin den Kläger mit sofortiger Wirkung von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung frei unter Fortzahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung. In der Zeit vom 1. Juni 2016 bis zum 12. Oktober 2016 sowie vom 18. November 2016 bis zum 29. Juni 2017 bezog der Kläger Krankengeld und in der Zeit vom 13. Oktober 2016 bis 17. November 2016 Übergangsgeld. In der Arbeitsbescheinigung vom 21. Juli 2016 bestätigte die Arbeitgeberin für die Zeit vom 1. Juni 2015 bis zum 31. Mai 2016 ein sozialversicherungspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von monatlich 1.300,00 EUR; zusätzlich erfolgte eine Einmalzahlung im Dezember 2015 in Höhe von 500,00 EUR brutto. In einer weiteren Arbeitsbescheinigung vom 21. Juli 2017 bescheinigte die Arbeitgeberin für den Monat Juli 2016 die Auszahlung eines sozialversicherungspflichtigen Bruttoarbeitsentgelts in Höhe von 26.297,48 EUR. Zudem teilte sie mit, dass dem Kläger eine Urlaubsabgeltung bis zum 21. August 2016 zustand.
Der Kläger meldete sich am 30. Juni 2017 persönlich arbeitsuchend sowie arbeitslos und beantragte die Bewilligung von ALG. Bei ihm war zu Jahresbeginn auf der Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse I ohne Kind eingetragen. Die Beklagte errechnete aus den Bruttoarbeitsentgelten für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis zum 31. Mai 2016 ein Bemessungsentgelt in Höhe von 14.800,00 EUR, entsprechend einem täglichen Bemessungsentgelt in Höhe von 44,05 EUR. Das für den Monat Juli 2016 abgerechnete Bruttoentgelt in Höhe von 26.297,48 EUR berücksichtigte sie nicht. Mit Bescheid vom 27. Juli 2017 bewilligte die Beklagte dem Kläger ALG ab dem 30. Juni 2017 für die Dauer von 720 Kalendertagen bis zum 29. Juni 2019 in Höhe von 20,00 EUR täglich entsprechend einem täglichen Bemessungsentgelt in Höhe von 44,05 EUR, der Steuerklasse I und dem allgemeinen Leistungssatz (60 %). Mit dem dagegen am 23. August 2017 erhobenen Widerspruch wandte der Kläger sich gegen die zu geringe Höhe des ALG und begehrte die Berücksichtigung der ihm im Juli 2016 zuerkannten Provisionsansprüche bei der Berechnung des ALG. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2017 zurück. Zur Begründung führte sie unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8. Juli 2009 - B 11 AL 14/08 R - im Wesentlichen aus, dass Einmalzahlungen, die in einem Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt würden, der nicht zum Bemessungszeitraum gehöre, unberücksichtigt blieben. Der Bemessungszeitraum umfasse die Entgeltzeiträume vom 1. Juli 2015 bis zum 31. Mai 2016. Der Entgeltabrechnungszeitraum Juli 2016 gehöre nicht zum Bemessungszeitraum, weil in dieser Zeit Versicherungspflicht wegen des Bezugs von Krankengeld bestanden habe. Die in diesem Monat abgerechnete Einmalzahlung dürfe somit nicht in die Bemessung des ALG einfließen. Dem Widerspruchsbescheid fügte die Beklagte das Ergebnisprotokoll für die Ermittlung des Bemessungsentgelts bei.
Dagegen hat der Kläger am 27. September 2017 Klage bei dem Sozialgericht Lübeck erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die abgerechneten Provisionszahlungsansprüche in den erweiterten Bemessungsrahmen (3...