Rz. 6

Drittwirkung entfalten nur unanfechtbare Steuerbescheide und gleichbehandelte Bescheide. Der Grund hierfür liegt darin, dass dann angenommen wird, dass die materielle Richtigkeit des Bescheids außer Streit ist und daher kein Anlass besteht, im Verfahren mit dem Gesamtrechtsnachfolger bzw. dem Zweitschuldner erneut über die Richtigkeit zu entscheiden.

 

Rz. 7

Ein Steuerbescheid ist unanfechtbar, wenn die Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelfrist abgelaufen oder über einen Rechtsbehelf oder ein Rechtsmittel unanfechtbar entschieden worden ist. Die Steuerfestsetzung entfaltet daher keine Drittwirkung, solange die Rechtsbehelfsfrist gegenüber dem Adressaten noch läuft, oder wenn der Adressat einen Rechtsbehelf oder ein Rechtsmittel eingelegt hat, und hierüber noch nicht bestands- oder rechtskräftig entschieden ist.

 

Rz. 8

Dagegen ist es nicht Tatbestandsvoraussetzung für das Eintreten der Drittwirkung, dass die Steuerfestsetzung unabänderbar ist. Unabänderlichkeit tritt nur bei Rechtskraft aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder bei Eintritt der Festsetzungsverjährung ein. Insbesondere wird der Eintritt der Drittwirkung nicht dadurch gehindert, dass die Steuerfestsetzung noch nach §§ 172ff. AO innerhalb der Festsetzungsfrist geändert werden kann. Drittwirkung tritt bei einem Folgebescheid daher auch ein, wenn der Folgebescheid bereits unanfechtbar ist, der Grundlagenbescheid aber noch nicht. Die Drittwirkung des Folgebescheids wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass er u. U. nach einer Änderung des Grundlagenbescheids nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO zu ändern ist.[1]

 

Rz. 9

Zweifelhaft kann dies sein, wenn die Steuerfestsetzung nach § 164 AO unter Vorbehalt der Nachprüfung oder nach § 165 AO vorläufig erfolgt ist. In diesen Fällen begründet die Bestandskraft der Steuerfestsetzung keine (tatsächliche) Vermutung der Richtigkeit; bei Vorläufigkeit ist es sogar wahrscheinlich, dass die (vorläufige) Steuerfestsetzung materiell unrichtig ist. Bei dem Vorbehalt der Nachprüfung kann der Adressat durch den Vorbehalt und die damit verbundene weitgehende Änderungsmöglichkeit veranlasst worden sein, keinen Rechtsbehelf einzulegen und die Steuerfestsetzung bestandskräftig werden zu lassen. Der Stpfl. und der Dritte, der Geschäftsführer ist, kann uneingeschränkt eine Änderung der Steuerfestsetzung beantragen, solange die Festsetzungsfrist nicht abgelaufen ist. Das schließt es aus, über § 166 AO den Dritten mit Einwendungen auszuschließen. Dies würde auch keine materielle Wirkung haben. Infolge der Akzessorietät der Haftung würde die spätere geänderte Steuerfestsetzung ohnehin noch bei der Haftung berücksichtigt. Nach § 130 Abs. 1 AO kann der Haftungsbescheid angepasst werden, wenn der Steuerbescheid geändert wird. Es wäre daher eine unnötige Komplikation, wenn der Stpfl. bzw. der Dritte gezwungen wäre, die Änderung des Steuerbescheids zu verfolgen, um eine entsprechende Anpassung des Steuerbescheids zu erreichen. Es ist dann richtiger und aus dem Aspekt der Verfahrensvereinfachung auch sinnvoller, dass der Dritte die Einwendungen ohne Beschränkung durch § 166 AO im Haftungsverfahren geltend machen kann, als ihn zu zwingen, erst den Steuerbescheid ändern zu lassen, um zu einer Anpassung des Haftungsbescheids zu kommen. Ein bestandskräftiger, aber unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, § 164 AO, stehender oder ein nach § 165 AO vorläufiger Steuerbescheid führen also nicht zu der Drittwirkung nach § 166 AO.[2]

 

Rz. 10

Ist über das Vermögen einer Gesellschaft als Stpfl. das Insolvenzverfahren eröffnet worden, tritt an die Stelle des steuerrechtlichen Rechtsschutzverfahrens das Verfahren zur Feststellung der Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle nach der InsO. "Unanfechtbar" i. S. d. § 166 AO ist die Steuerforderung in diesem Fall, wenn weder nach der InsO noch nach Steuerrecht Einwendungen gegen die Steuerforderung mehr erhoben werden können. Das ist der Fall, wenn die Steuerforderung ohne Widerspruch in die Insolvenztabelle eingetragen worden ist. Das gilt auch, wenn der Steuerbescheid vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens angefochten worden war. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens tritt das insolvenzrechtliche Anmeldungsverfahren an die Stelle des Rechtsbehelfsverfahrens. Wird die Anmeldung zur Tabelle nicht bestritten, wird das Rechtsbehelfsverfahren nicht fortgesetzt. Der Tabelleneintrag gilt vielmehr als bestandskräftige Entscheidung über den Steueranspruch. Für die Anwendung des § 166 AO ist daher maßgebend, ob der Dritte berechtigt war, der Anmeldung zur Tabelle zu widersprechen. Ist er Geschäftsführer des Stpfl., steht ihm dieses Recht zu, auch wenn der Insolvenzverwalter die Anmeldung nicht bestreitet. Der Widerspruch des Geschäftsführers hat dann zwar keine Wirkung für das Insolvenzverfahren, wohl aber für das außerinsolvenzrechtliche Haftungsverfahren. Hat der Geschäftsführer dieses Widerspruchsrecht nicht wahrgenommen, greift die Drittwirkung nach § 166 AO im Haftungsverfahren gegen ihn ein.[3]

 

Rz. 11

Die Drittwirkung ge...

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