Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 28
Der Stpfl. hat auch die Möglichkeit, innerhalb des Berichtigungsrahmens durch neue Anträge eine Änderung der Steuerfestsetzung zu erreichen bzw. eine Erhöhung der Steuerfestsetzung zu verhindern. Ist das Stellen eines solchen Antrags an keine Frist gebunden, bestehen keine Bedenken, wenn der Antrag nachgeholt wird, soweit er sich noch (etwa infolge des Durchbrechens der Bestandskraft aus einem anderen Grund) auswirken kann. Aufgrund des zulässigen Antrags ist die ursprüngliche Steuerfestsetzung falsch, es liegt also ein materieller Fehler vor.
Soweit der BFH in einem obiter dictum ausgeführt hat, dass eine Änderung der Ausübung des Wahl- oder Antragsrechts im Rahmen des § 177 AO nicht möglich sei, weil diese Vorschrift einen "Fehler" voraussetze, ist dem nicht zu folgen. Wenn zulässigerweise ein nicht fristgebundenes Wahl- oder Antragsrecht ausgeübt wird und der Steuerbescheid dies nicht widerspiegelt, ist die Steuerfestsetzung materiell unrichtig, wenn auch u. U. nicht mehr änderbar. Der Tatbestand des § 177 AO ist somit erfüllt, sodass die Änderung der Wahl- und Antragsrechtsausübung innerhalb des Änderungsrahmens zu berücksichtigen ist. Da die Bestandskraft der Steuerfestsetzung aufgrund der Änderungsvorschrift durchbrochen ist, hält sich die Berücksichtigung des Wahl- oder Antragsrechts im Rahmen der Bestandskraft. Es ist daher kein sachlicher Grund ersichtlich, das Wahl- und Antragsrecht innerhalb des Änderungsrahmens nicht zu berücksichtigen.
Rz. 29
Die Berücksichtigung des neuen Antrags hängt davon ab, dass die Bestandskraft des Bescheids aufgrund einer Änderungsvorschrift durchbrochen wird. Im Ergebnis richtig daher FG München, das die Berücksichtigung des Antrags ablehnte, da sowohl der ursprüngliche Bescheid als auch der Änderungsbescheid auf 0 lautete; richtigerweise hätte überhaupt kein Änderungsbescheid ergehen dürfen.
Rz. 30
Wird die ESt-Veranlagung von zusammenveranlagten Ehegatten geändert, kann nunmehr einer der Ehegatten getrennte Veranlagung beantragen. Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten handelt es sich trotz der formalen Zusammenfassung in einem Bescheid um zwei selbstständige, wenn auch inhaltsgleiche Steuerfestsetzungen. Es bestehen keine Bedenken, nunmehr die Verknüpfung der beiden Steuerfestsetzungen zu lösen. Zur Berechnung des Berichtigungsrahmens in diesen Fällen Rz. 41. Die vom BFH geforderte Voraussetzung, die abweichende Wahl des Ehegatten, der die getrennte Veranlagung wählt, müsse durch gewichtige, wirtschaftlich verständliche und vernünftige Gründe gerechtfertigt sein, findet im Gesetz keine Stütze. Solange und soweit keine Bestandskraft des Steuerbescheids besteht (etwa weil die Bestandskraft bei Vorliegen einer Änderungsvorschrift durchbrochen wurde), steht den Ehegatten die Wahl der Veranlagungsart frei. Allerdings dürfte die Auswirkung dieser abweichenden Ansicht praktisch gering sein, weil der BFH eine abweichende Wahl nur dann für unzulässig hält, wenn sie steuerlich unter keinem Gesichtspunkt Auswirkungen haben kann, also ins Leere geht.
Rz. 31
Die Wirkungen des Antrags entfallen jedoch, wenn der Änderungsbescheid wieder aufgehoben wird. Der neue Antrag kann nur im Rahmen der Änderung der Steuerfestsetzung berücksichtigt werden. Kommt es letztlich zu keiner Änderung, kann auch der neue Antrag keine Wirkungen entfalten. Der Stpfl. muss dann gegen die Aufhebung des Änderungsbescheids vorgehen, um eine Änderung, und damit eine Berücksichtigung seines Antrags, zu erreichen.
Hat der neue Antrag des Stpfl. eine Bilanzänderung zur Folge (neue Ausübung eines Bilanzierungswahlrechts), kann er nur berücksichtigt werden, soweit sich die Bilanzänderung im Rahmen der Veranlagung des Jahres der Änderung und der Folgejahre noch auswirken kann (Änderung der Veranlagungen der Folgejahre). Es handelt sich um ein Problem der "bilanziellen Folgeänderung".