Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 87
Der Feststellungsbescheid kann nach den allgemeinen Regeln des § 125 AO nichtig sein. Das ist insbesondere der Fall, wenn er inhaltlich nach § 119 Abs. 1 AO nicht hinreichend bestimmt ist. Er ist ebenfalls nichtig, wenn die Person, der gegenüber die Feststellung vorgenommen wird, zum Zeitpunkt des Ergehens des Feststellungsbescheides bereits verstorben war. In diesem Fall wird durch den nichtigen Feststellungsbescheid die Festsetzungsfrist nicht gewahrt, eine Anfechtung des Feststellungsbescheids führt nicht zur Hemmung der Festsetzungsfrist. Bei der einheitlichen Feststellung von Einkünften besteht jedoch die Berichtigungsmöglichkeit nach § 182 Abs. 3 AO.
Rz. 88
Noch nicht ausreichend geklärt ist die Frage, welchen Inhalt der Feststellungsbescheid mindestens haben muss, um überhaupt wirksam zu werden. Das Fehlen dieses Mindestinhalts würde wegen inhaltlicher Unbestimmtheit zur Nichtigkeit des Feststellungsbescheids nach § 125 AO führen. Ursprünglich war die Ansicht vertreten worden, dass bei einem Einheitswertbescheid der Wert, bei einer Feststellung der Einkünfte die Höhe der Einkünfte zu den unverzichtbaren Bestandteilen des Bescheids gehöre, deren Fehlen den Bescheid nichtig mache. Nunmehr zwingt die Rechtsprechung des BFH jedoch dazu, diese Frage erneut zu überdenken. Der BFH hat entschieden, dass ein Feststellungsbescheid eine Vielzahl selbständiger und auch selbständig anfechtbarer Feststellungen enthalten kann. In einer ersten Gruppe von Urteilen hatte der BFH entschieden, dass bei einem Einheitswertbescheid die Art-, Zurechnungs- und Wertfeststellung jeweils eine eigenständige Feststellung darstellt, die jeweils gesondert angefochten werden kann bzw. muss. Darüber hinaus hat der BFH a. a. O. die jeweilige Feststellung als selbständigen Verwaltungsakt bezeichnet.
Lediglich formal erfolge eine Zusammenfassung der drei Bescheide in einer Bescheidurkunde. Danach ist also auch ein Einheitswertbescheid möglich, der nur eine Art- oder Zurechnungsfeststellung enthält, nicht aber eine Wertfeststellung. Der Wert kann dann aber nicht unverzichtbarer Bestandteil der Einheitswertfeststellung sein; auch für die Feststellung von Einkünften dürfte Entsprechendes gelten. In späteren Entscheidungen hat der BFH jedoch vermieden, von "mehreren Verwaltungsakten" zu sprechen, sondern nimmt "mehrere Feststellungen" in einem einheitlichen Verwaltungsakt an. Hierzu Rz. 82ff.
Rz. 89
Entsprechend hat der BFH für die Feststellung der Einkünfte entschieden, dass ein gesonderter Feststellungsbescheid mehrere selbstständige Feststellungen enthalten kann, die eines rechtlich selbstständigen Schicksals fähig sind und unabhängig voneinander in Bestandskraft erwachsen können. Als selbstständige Feststellungen wurden danach beispielsweise angesehen die Qualifikation der Einkünfte, die Existenz einer Mitunternehmerschaft, die Höhe des Gesamtgewinns, des laufenden Gewinns, eines Veräußerungsgewinns oder eines Sondergewinns. Dabei hat der BFH nur entschieden, dass der Feststellungsbescheid mehrere Feststellungen enthält und daher einen teilbaren Inhalt hat. Eine Anfechtung kann also auf einzelne Feststellungen beschränkt werden. Er hat dagegen nicht ausdrücklich entschieden, dass es sich um mehrere selbstständige Bescheide handelt, die nur in einer Urkunde zusammengefasst sind. Zu Folgerungen für das Rechtsbehelfsverfahren Rz. 122.
Rz. 90
Wird die Anfechtung auf einzelne Feststellungen beschränkt, haben nicht angefochtene Feststellungen des Feststellungsbescheids Bindungswirkung für angefochtene Feststellungen des gleichen Feststellungsbescheids, wenn zwischen den einzelnen Feststellungen ein Stufenverhältnis i. S. v. Vor- und Folgefrage besteht. Ist nur die Anfechtung hinsichtlich der Folgefrage erfolgt, kann in dem Finanzrechtsstreit die Entscheidung über die Vorfrage nicht mehr in Zweifel gezogen werden. Anders ist es nur im Einspruchsverfahren, da dort der Verwaltungsakt insgesamt erneut überprüft wird.
Rz. 91
Man wird die Frage nach dem Mindestinhalt des Feststellungsbescheids auf § 125 AO zurückführen müssen (inhaltliche Unbestimmtheit). Ein Bescheid ist danach wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig, wenn der Betroffene nicht feststellen kann, welche rechtliche Regelung der Bescheid trifft. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass ein Bescheid dann nicht nichtig ist, wenn er eine erkennbare rechtliche Regelung trifft. Was für eine Regelung dies ist, ist dann für die Beurteilung der Wirksamkeit nicht von Bedeutung. Es gibt daher keinen Grund, für die Wirksamkeit des Bescheids zu verlangen, dass diese rechtliche Regelung gerade den Wert bzw. die Höhe der Einkünfte betrifft. Irgendeine rechtliche Regelung, die zum inhaltlichen Regelungsbereich des betreffenden Feststellungsbescheids gehört, reicht für die Wirksamkeit aus. So ist etwa ein Einheitswertbescheid wirksam, der nur die Abgrenzung der zu bewertenden wirtschaftlichen Einheit von anderen wirtschaftlichen Einheiten betrifft, oder ein Feststellungsbeschei...