Rz. 10
§ 208 AO gibt i. V. m. § 404 AO eine abschließende Aufzählung der Aufgabenbereiche (s. Rz. 8). Die Vorschriften bilden damit die Rechtsgrundlage für die Tätigkeit der Fahndung und begründen deren funktionelle und sachliche Zuständigkeit für die Durchführung von Ermittlungen (s. Rz. 8a). Andere als die in den §§ 208, 404 AO beschriebenen Aufgaben hat die Fahndung nicht. Aus der Zuordnung der Befugnisse in § 208 Abs. 1 S. 2, 3 AO (s. Rz. 34) können keine Rückschlüsse auf einen weiteren Aufgabenumfang und zusätzlichen Aufgabeninhalt gezogen werden.
Die Ermittlungsaufgaben nach § 208 Abs. 1 AO bestehen selbstständig nebeneinander. So kann die Fahndung gelegentlich ihrer Tätigkeit im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO (s. Rz. 12), gleichzeitig auch ihrer Aufgabe nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO (s. Rz. 23) nachkommen, also unbekannte Steuerfälle aufzudecken und zu ermitteln und im Rahmen steuerverfahrensrechtlicher Ermittlungen tätig werden. Dies gilt auch, wenn diese Ermittlungen sich gegen unterschiedliche Personen richten und im Laufe der Ermittlungsmaßnahme, etwa bei der Durchsicht von Geschäftsunterlagen, fortlaufend Aufgabe und Ermittlungsziel gewechselt werden.
Rz. 11
Da nach § 208 Abs. 3 AO durch die Regelungen des § 208 Abs. 1, 2 AO die Aufgaben der übrigen Finanzbehörden unberührt bleiben, hat die Fahndung keine ausschließliche Ermittlungszuständigkeit für die steuerlichen Ermittlungen. Es besteht insoweit eine konkurrierende Ermittlungsaufgabe der Finanzbehörden.
Rz. 11a
Dies bedeutet einmal, dass die Aufnahme der Ermittlungen durch die Fahndung nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 AO die steuerliche Ermittlungsaufgabe der für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden (s. Rz. 1) nicht einschränkt. Die für die Besteuerung zuständige Finanzbehörde kann parallel zum Straf- bzw. Bußgeldverfahren mit steuerlichen Ermittlungen beginnen oder begonnene Ermittlungen fortsetzen, z. B. für die:
- Zulässigkeit einer Außenprüfung: BFH v. 4.11.1987, II R 102/85, BStBl II 1988, 113; BFH v. 20.1.1988, I B 5/87, BFH/NV 1988, 548; BFH v. 19.8.1998, XI R 37/97, BStBl II 1999, 7; BFH v. 3.4.2003, XI B 60/02, BFH/NV 2003, 1034; BFH v. 4.10.2006, VIII R 53/04, BStBl II 2007, 227; FG Köln v. 10.9.2008, 13 K 1915/08, EFG 2009, 82 für die Erweiterung der Außenprüfung auf strafrechtlich relevante Zeiträume.
- Auswertung der durch die Fahndung beschafften Bankunterlagen: BFH v. 15.6.2001, VII B 11/00, BStBl II 2001, 624.
Umgekehrt hindert die Anordnung einer Außenprüfung nicht die Durchführung einer Fahndungsprüfung. Die Fahndung darf dabei allerdings nur im Rahmen ihrer Aufgaben tätig werden, also zur Ermittlung des Sachverhalts. Die Entscheidung über die steuerliche Umsetzung ihrer Ergebnisse trifft die für die steuerliche Veranlagung zuständige Dienststelle. Daher sind tatsächliche Verständigungen ebenso unwirksam wie Zusagen nach §§ 204ff. AO. Allerdings berührt § 208 Abs. 3 AO die Befugnisse der FÄ nicht. Es gelten weiterhin deren allgemeinen Rechte und Pflichten. Will die Finanzbehörde Auskünfte Dritter einholen, so muss sie zuvor grundsätzlich nach § 93 Abs. 1 S. 3 AO den Stpfl. befragen, bevor sie Auskunftsersuchen an einen Dritten stellt. Etwas anderes gilt nach den allgemeinen Ausnahmen, die im Rahmen der Ermessensausübung abzuwägen sind.
Rz. 11b
Dies bedeutet zum anderen, dass die für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden (s. Rz. 1) über steuerstrafrechtliche Vorfragen für das Besteuerungsverfahren die gebotenen Ermittlungen selbst führen und Wertungen vornehmen können. Eine ausschließliche Entscheidungskompetenz hinsichtlich der für die Besteuerung erheblichen straf- oder bußgeldrechtlichen Sachverhalte, wenn und soweit die steuerliche Rechtsfolge davon abhängt, ob eine Steuerstraftat oder eine Steuerordnungswidrigkeit vorliegt, besteht für die Strafsachen- und Fahndungsstellen (s. Rz. 3) nicht. Die für die Besteuerung zuständige Finanzbehörde und das FG sind auch an die Feststellungen und Wertungen der Strafverfolgungsorgane, Strafgerichte oder Fahndungsstellen nicht gebunden. Sie können allerdings deren Erkenntnisse für ihre Entscheidung nutzen. Demgemäß hindert auch ein Freispruch oder eine Beschränkung des Strafverfahrens im Rahmen einer Beendigung aufgrund einer einvernehmlichen Absprache zwischen den Beteiligten die Finanzbehörde und das FG nicht, aufgrund eigener Feststellungen zur vollen Überzeugung von einer Steuerstraftat zu gelangen.
Umgekehrt sind aber auch die Fahndung, die Strafverfolgungsorgane und Strafgerichte für das straf- und bußgeldrechtliche Verfahren nicht an die steuerlichen Ermittlungsergebnisse und Wertungen der im Besteuerungsverfahren tätigen Finanzbehörde gebunden. § 208 Abs. 3 AO bestätigt insoweit die wechselseitige Unabhängigkeit der Ermittlungsverfahren.
Rz. 11c
Die Zuständigkeit der Fahndung für die Durchführung von Ermittlungen (s. Rz. 8a, 10) ist eigenständig.
Soweit die Amtsträger der ...