Rz. 11

Nach der Formulierung des § 249 Abs. 1 S. 1 AO können Verwaltungsakte durch die Behörde im Verwaltungsweg vollstreckt werden. Das Gesetz bestimmt also keine Pflicht der Verwaltung, die Vollstreckung einzuleiten.[1] Gleichwohl ist zu beachten, dass die Verwaltung nicht willkürlich darüber entscheiden darf, gegen welchen Vollstreckungsschuldner sie im Weg der Vollstreckung vorgeht. Auch im Vollstreckungsrecht gilt der Grundsatz der Gesetzesbindung der Verwaltung. Der Grundsatz der pflichtgemäßen Ermessenausübung ist hierbei ein das gesamte Verwaltungsrecht überlagernder Rechtsgrundsatz.[2] Die von Teilen des Schrifttums vertretene Auffassung, es bestehe eine Pflicht zur Vollstreckung der staatlichen Steueransprüche, also kein Entschließungsermessen,[3] überzeugt angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht.[4]

 

Rz. 11a

Nach ganz h. M. stellt die Einleitung des Vollstreckungsverfahrens eine interne Maßnahme der Verwaltung dar, die nicht angefochten werden kann.[5] Mit dieser Entscheidung kommt es zu einer Einleitung des Vollstreckungsverfahrens; die Vollstreckungsstelle hat dann zu entscheiden, welche Maßnahmen ergriffen werden. Abhängig davon, welche Maßnahme ergriffen wird, kann die Vollstreckungsstelle, um die in der Praxis wichtigsten Fälle zu nennen, die Vollstreckung selbst durchführen, einen Vollziehungsbeamten mit der Vollstreckung beauftragen oder beim Amtsgericht Vollstreckungsmaßnahmen beantragen.

 

Rz. 12

Die einzelnen Maßnahmen der Vollstreckung sind ebenfalls unter Berücksichtigung des pflichtgemäßen Ermessens auszuüben.[6] Die Vollstreckungsbehörden haben also das Auswahlermessen zu beachten. Dabei ist wiederum vor allem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.[7] Ausfluss dieses Prinzips ist nach BVerfG v. 19.10.1982 (1 BvL 34, 55/80, BVerfGE 61, 126, 134) insbesondere auch, dass aussichtslose Vollstreckungsversuche unterbleiben sollen. Dieses Prinzip findet sich in Abschn. 20 Abs. 4 S. 1 VollstrA wieder, der bestimmt, dass solche Vollstreckungsmaßnahmen unterbleiben sollen. Zudem sind Aufwand und Ertrag der einzelnen Vollstreckungsmaßnahmen gegeneinander abzuwägen.[8]

[1] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 249 AO Rz. 45.
[2] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 249 AO Rz. 45.
[3] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 249 AO Rz. 11; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 249 Rz. 7.
[4] So auch Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 249 AO Rz. 47ff.
[5] Vgl. auch Abschn. 22 Abs. 5 S. 1 VollstrA; BFH v. 14.6.1988, VII B 15/88, BFH/NV 1989, 75; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 249 Rz. 8; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 249 AO Rz. 12; Klein/Werth, AO, 17. Aufl. 2023, § 249 Rz. 11.
[7] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 249 AO Rz. 14; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 249 Rz. 9.
[8] Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 249 Rz. 9.

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